In der aktuellen Forschung gibt es keinen Konsens über das Ausmaß von Luthers Einfluss auf Calvin. Während frühere Interpreten meist von nationalen Interessen geprägt waren, konzentrieren sich gegenwärtige Forscher und Forscherinnen auf die Frage nach der Einheit „der“ Reformation. Der Einfluss Melanchthons ist in den letzten Jahrzehnten zu Recht stärker gewichtet worden. Gleichzeitig ist es offensichtlich, dass es in den Kreisen der Bibelhumanisten um Jacques Lefèvre d‘Etaples und Gérard Roussel eine intensive Rezeption Luthers gab. Davon zeugt u.a. die frühe Verbreitung von Luthers Schriften in Frankreich. Calvins Lutherrezeption muss in diesem Kontext interpretiert werden. In seinen frühen Texten gibt es unbestreitbare Hinweise auf den Wittenberger Reformator, einschließlich der wörtlichen Übernahme von Luther-Zitaten, insbesondere im Hinblick auf die Sakramentenlehre und die Auslegung der Zehn Gebote.