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Bemerkungen zu Orpheus in Unterwelts-und Thrakerdarstellungen

Margot SCHMIDT

RVAp- Zitate zur Identifizierung apulischer Vasen werden hier in der von A.D. Trendall empfohlenen Form gegeben, d.h., zunächst wird die Kapitelnummer zitiert (die dem Kundigen schon einen Hinweis auf Maler bzw. Werkstätten gibt), gefolgt von der Ordnungsnummer der einzelnen Vase. Zusätzlich gebe ich in Klammern die Seitenzahl an, um das Auffinden zu erleichtern. Auf die Angabe der Bandzahl wird verzichtet : Bd. 1 umfasst Kapitel 1-16, Bd. 2 Kapitel 17-30. Die meisten in diesem Beitrag behandelten Vasen sind spätapulisch (2. Hälfte des 4. Jhs.v.Chr.). Sie sind dementsprechend im 2. Band von RVAp zu finden.

Im Jahre 1974 wurden beim Convegno di Studi sulla Magna Grecia in Tarent im Rahmen des Gesamtthemas «L’Orfismo in Magna Grecia» die damals bekannten unteritalischen Orpheusdarstellungen untersucht. Die Ergebnisse wurden in den erst 1978 erschienenen Atti del XIV° Convegno publiziert1. Seitdem ist wieder mehr als ein Jahrzehnt vergangen, und das Genfer Colloque sur l’Orphisme et Orphée gibt nun Gelegenheit zur Überprüfung, ob neuere Funde und Forschungen Ergänzungen oder Modifizierungen zur Ikonologie der Orpheusgestalt nahelegen. Nach wie vor bietet die apulische Vasenmalerei des 4. Jhs.v.Chr. das reichste Material zum Thema des Orpheus in der antiken Bildkunst, und auf diesem Gebiet lassen sich auch verschiedene Neufunde und neue Gruppierungen verzeichnen. Deshalb gelten die folgenden Bemerkungen ausschliesslich apulischen Vasenbildern, die Orpheus in der Unterwelt und/oder in der Gesellschaft von Thrakern zeigen.

Die sogenannten Unterweltsvasen aus Apulien sind in den meisten älteren Publikationen als undifferenzierte Einheit behandelt worden. Heute sind wir in der günstigeren Lage, auch für ikonographische Untersuchungen die neuen Ergebnisse der Malerforschung zu nutzen. Für den unteritalischen Raum sind nahezu alle wesentlichen Klassifizierungen den Arbeiten von A.D. Trendall zu verdanken. Gemeinsam mit A. Cambitoglou legte er 1978 den ersten Band der Red-figured Vases of Apulia vor, also vier Jahre nach dem Tarentiner Orpheus-Convegno. Der abschliessende Band erschien 1982.

Wenn man heute nochmals die apulischen Unterweltsvasen behandelt, kann man die einzelnen Bildzeugnisse in ein deutlicher erkennbares Gerüst einfügen. Dabei muss klar zwischen typologischen und künstlerischen Gruppen unterschieden werden. Einzelne Bildtpyen werden von verschiedenen Werkstätten und zu verschiedenen Zeiten innerhalb der Entwicklung der mittel-und spätapulischen Malerei benutzt. Ergiebiger ist für die folgenden Überlegungen die Frage nach der mehrmaligen Behandlung eines Themas im Werk eines einzelnen Vasenmalers: Erhellen sich die Bilder in diesen Fällen gegenseitig, erschliesst sich also hier eine neue Deutungshilfe, die unerkannt bleiben musste, solange die Malerforschung für das unteritalische Gebiet erst in den Anfängen steckte?

Der grosse Grabkrater in München mit der Dastellung der Unterwelt wurde von einem spätapulischen Künstler bemalt, der von dieser Vase seinen modernen Namen erhielt: der Unterweltsmaler2 (Pl. 4). Der Münchner Krater hat in älteren Überlegungen zu möglichen Spuren der Mysterien in der Vasenmalerei eine beträchtliche Rolle gespielt, denn in seinem Hauptbild tritt Orpheus, wie es scheint, nicht isoliert neben dem Hadespalast auf, sondern als eine Art Schutzpatron der ihm folgenden Dreiergruppe, in der man seit A. Furtwängler3 eine Familie von Eingeweihten erkennen wollte: ein junger Mann, eine Frau und ein Kind mit Amulettkette, das sich mit seinem Holzwägelchen vergnügt Seit eine Reihe weiterer Unterweltsvasen bekannt wurde, tritt die Besonderheit des Münchner Kraters deutlicher hervor. Nur hier (soweit wir bis jetzt wissen) ist Orpheus mit der unbekannten Familie gruppiert, kein anderes der Unterweltsbilder dieses Typus lässt ihn in Beziehung zu anderen Sterblichen im Hades treten. Gewöhnlich erscheint er als prominenter Hadesbesucher unter anderen.

Demselben Unterweltsmaler hat nun A.D. Trendall überzeugend ein interessantes Vasenbild (auf dem Volutenkrater Neapel Stg. 709) zugeschrieben4, das ebenfalls aus dem Rahmen des Üblichen fällt. Es ist das einzige, das von einem ausgeprägten Interesse an der Liebesverbindung des Orpheus zeugt. Hier ist der Sänger keine isolierte, statische Figur. Mit abgewendetem Gesicht führt er eine Frau am Handgelenk, die, obwohl hier namenlos, Eurydike sein muss, denn der kleine Eros an der Schulter des Orpheus lässt keinen Zweifel am liebevollen Charakter der Beziehung des Paares. Kann das Neapeler Vasenbild des Unterweltsmalers etwas zur Deutung der sogenannten Mystenfamilie auf dem Münchner Krater beitragen? Hat das unübliche Interesse des Malers für die Eurydikegeschichte auch sein grösser angelegtes Hadesbild beeinflusst?

Vielleicht sind die drei Menschen — Mann, Frau und Kind — nicht als Gefolge des Mystagogen Orpheus zu verstehen, sondern vielmehr als ein Gegenbild zum Geschick des mythischen Sängers. Seit wann die Überlieferung vom tragischen Ausgang der Geschichte, der Verlust der wiedergewonnenen Eurydike, vorauszusetzen ist, liess sich noch nicht mit Sicherheit bestimmen5. Das Vasenbild in Neapel gibt nicht zu erkennen, ob die Wiedervereinigung des mythischen Paares endgültig oder zum Scheitern verurteilt ist. Je nach angenommener Schlussvariante wäre die Bedeutung zu modifizieren, die der Unterweltsmaler möglicherweise im Sinn hatte, als er der Orpheusgestalt eine offensichtlich glückliche kleine Familie gegenüberstellte. Setzt man die tragische Version voraus, wäre der Kontrast augenfällig: Die Dreiergruppe macht bewusst, was Orpheus unwiederbringlich verlor. Im anderen Falle liesse sich das Bild mit einem Gedanken verbinden, der in der antiken Dichtung mehrfach belegt ist, das heisst, mit dem Wunsch, über die bezaubernde Musik des Orpheus zu verfügen, um die Unterweltsherrscher zu bewegen, die Wiedervereinigung mit den verstorbenen Liebsten zu gewähren. In diesem Sinne konnten sich antike Betrachter mit der Gruppe von Sterblichen im Vasenbild identifizieren, für die dieser Wunsch offensichtlich in Erfüllung gegangen war. Im besonderen scheint mir die Anwesenheit des Kindes für eine Deutung in diesem allgemein-menschlichen, nicht mysterienbezogenen Sinn zu sprechen, da eine Gruppe von Vertretern der «seligen Mysten» wohl allein durch Erwachsene dargestellt worden wäre. Gewiss ist die Frage anzuschliessen, welche Bedingungen zu erfüllen waren, um das Glück der Wiedervereinigung im Jenseits zu beanspruchen. Die Einweihung in bestimmte Mysterien galt als ein oder sogar als der einzige Weg zu diesem Ziel, doch scheint mir dieser Gedanke erst in zweiter Linie in der Darstellung auf dem Münchner Unterweltskrater wirksam zu sein. Das Bild ist vermutlich nicht als mysterienbezogene, sondern als metaphorische Aussage zu lesen, in der gelungene und — möglicherweise — gescheiterte Wiedervereinigung einander gegenübergestellt sind.

Das Gelingen kommt nicht nur in der augenfälligen Verbundenheit der drei Menschen zum Ausdruck (Mann und Frau wenden sich liebevoll einander zu, der rechte Arm des Mannes scheint die Frau zu umfassen, der linke des Kindes greift nach der Mutter), sondern vielleicht auch im Motiv des Siegerkranzes, den sich der junge Mann aufsetzt. N. Himmelmann6 hat kürzlich dieses Bild angeführt, um den Gedanken zu belegen, «dass der Zustand des Athleten als Inbegriff bürgerlichen Glückes und Ansehens galt. Eine bildliche Entsprechung bietet die Münchner Unterweltsvase, auf der die Seligkeit eines Eingeweihten im Hades durch den Habitus des nackten Siegers wiedergegeben wird, der sich den Kranz aufsetzt.» Im Sinne des bisher Gesagten wäre in dieser Aussage eine leichte Akzentverschiebung vorzunehmen, sofern weniger die Seligkeit der Eingeweihten als das (durch den Siegerkranz betonte?) Gelingen, das «Réussieren» im Hades, symbolisiert werden sollte. Mit Recht weist Himmelmann7 auf eine zusätzliche Besonderheit hin: «Dass die Verwendung des Sieger-Typus hier symbolischen Charakter hat, zeigt das lange, auf die Schulter fallende Haar, das zu einem Athleten nicht passen würde.» In meiner Interpretation des Bildes wäre der symbolische Charakter zu unterstreichen.

Auch einzelne konventionelle Elemente nehmen in der bisher einzigartigen Komposition des Unterweltsmalers, die durch die Einführung der «Familie» an gehaltlicher Tiefe gewonnen hat, eine andere Färbung an. Das gilt für die von mehreren Unterweltsvasen und im besonderen von den beiden älteren Krateren in Karlsruhe und Neapel (H. 3222) bekannte Dreiergruppe der Deianeira mit ihren beiden Söhnen, die deutlich die Spuren ihres gewaltsamen Todes zur Schau tragen8. Die Zusammenstellung mit der glücklichen Familie auf der Münchner Vase hebt das kontrastierende tragische Geschick der mythischen Gestalten ins Bewusstsein.

Ein weiteres rätselhaftes Vasenbild des Unterweltsmalers ist vielleicht an die Darstellung auf dem Münchner Krater anzuschliessen. Auf dem Kelchkrater im Britischen Museum F 2709 ist der Schauplatz der Handlung der Eingang zur Unterwelt, der hier durch eine Herme mit dem jugendlichen Kopf des Gottes bezeichnet wird. In der oberen, den Göttern vorbehaltenen Zone sitzt Hermes selbst, bekränzt wie sein Bild, rechts von ihm Aphrodite mit Eros, links ein stehender Pan. Rechts von der Herme steht in vorgebeugter Haltung Orpheus, der Kerberos an einer Kette festhält, während er mit der anderen Hand eine Lyra dem jungen Mann entgegenstreckt, der links von der Herme in der Begleitung eines alten Pädagogen auftritt. Der junge Mann ist durch Speere und Petasos hier wohl als Jäger gekennzeichnet. Die Anwesenheit des Pädagogen spricht dafür, dass ein mythologischer Zusammenhang vorauszusetzen ist. Warum reicht Orpheus dem jungen Mann das — vermutlich sein eigenes — Instrument? Vielleicht verbindet er damit die Aufforderung, es ihm, dem mythischen Sänger, gleichzutun. Das würde bedeuten, dass er dem alten Wunsch des euripideischen Admet10 Erfüllung verheisst: «Besäss ich Orpheus’ Stimm und Melodien, und könnt ich Kore, könnt ich ihren Gatten bezaubern, dass sie frei dich geben müssen, ich stieg herab, und weder Plutons Hund noch Charon schreckte mich, der Seelenferge. In Licht und Leben führt ich dich zurück.»

In der Frau, die, offenbar in der Unterwelt, hinter Orpheus sitzt, hat man gelegentlich Eurydike erkennen wollen11, aber im Sinne des Admet-Topos dürfte es sich um eine Verstorbene handeln, die auf den jungen Mann am Hadeseingang zu beziehen ist. Vermutlich ist ein mythisches Paar (wie z.B. Kephalos und Prokris)12 gemeint, das vorzeitig durch den Tod der jungen Frau getrennt wurde. Wir wollen uns den Versuch einer Benennung versagen, weil die Charakterisierung der Figuren zu unbestimmt bleibt, und da im besonderen kein vergleichbares Beispiel einer Katabasis in den Hades überliefert ist. Ich halte es für möglich, dass auch in diesem Bild der Gedanke an die erhoffte Wiedervereinigung mit den verstorbenen Lieben im Vordergrund steht, wenn er auch hier, mehr als das auf dem Münchner Krater der Fall zu sein scheint, in die äusseren Formen einer mythologischen Darstellung eingebunden ist.

Die grosse Zahl der heute bekannten Unterweltsvasen verteilt sich auf verschiedene Maler und Werkstätten. Das Werk des nach diesem Darstellungsgegenstand benannten Malers spielt dabei, wie sich gezeigt hat, eine originelle Rolle. Um seinen grosser Krater in München lässt sich (in typologischer, nicht in stilistischer Hinsicht) eine Reihe von Vasen gruppieren, die, mit grosszügigen Varianten, einem Haupttypus der Unterweltsdarstellungen folgen, den ich im Folgenden als «Tableau-Typus» bezeichne13. Sie geben ein statisch wirkendes Bild des Hades und seiner Bewohner, als seien die verschiedenen Akteure «beim Öffnen des Vorhangs» in ihrer jeweils charakteristischen Stellung erstarrt. Handlungen wie etwa die Sisyphosarbeit oder die Bändigung des Kerberos sind attributiv ihren Trägern zugeordnet. Die Auswahl der Hadesbewohner wechselt. Während die benennbaren Unterweltsbüsser Sisyphos und Tantalos oder die Totenrichter sehr selten erscheinen, gehören andere Figuren des Mythos zur Standardbesetzung des Tableau-Typus über die Werkstattgrenzen hinweg. Das gilt vor allem für Orpheus und für die Gruppe von Deianeira mit den Herakliden. Eine der Varianten des Tableau-Typus kann allerdings auf diese üblichen Vertreter verzichten und stattdessen eine grössere Anzahl von «Danaiden»14 ins Bild bringen. Schliesslich gibt es noch äusserst reduzierte Fassungen, die wohl nicht mehr direkt vom Tableau-Typus abzuleiten sind. Ihre Darstellung beschränkt sich auf den thronenden Hades (ohne Angabe seines Palastes) mit einigen wenigen zusätzlichen Figuren, von denen eine Orpheus sein kann15.

Vom Tableau-Typus ist eine zweite grössere Gruppe von Unterweltsvasen deutlich abzusetzen, die noch vor 30 Jahren anscheinend nur durch ein einzelnes apulisches Fragment in Mainz vertreten war16. Heute sind sechs apulische Kratere bekannt, die in weitgehender Übereinstimmung die Begegnung eines Kriegers mit dem Unterweltsherrscher in dessen Palast zeigen17. Wahrscheinlich ist die Ankunft des Amphiaraos im Hades gemeint18. Für diese zweite Hauptgruppe ist die Bezeichnung Begrüssungs-Typus angemessen. Diese Vasengruppe bleibt im Folgenden unberücksichtigt, weil Orpheus (wie übrigens auch verschiedene andere charakteristische Gestalten des Tableau-Typus, z.B. Herakles mit Kerberos sowie die Herakliden) in diesen Darstellungen bis jetzt fehlt — mit einer scheinbaren Ausnahme, die erörtert werden muss: Auf einem Krater dieser Gruppe, der sich jetzt in der Sammlung des Archäologischen Seminars in Münster befindet19 (PI. 6a), ist links neben dem Hadespalast mit der Begrüssungsszene ein sitzendes Paar dargestellt, eine junge Frau und ein bärtiger Mann mit orientalischer Kopfbedeckung und langem gegürtetem Aermelgewand. Der Mann, der eine Kithara hält, wendet, im Spiel innehaltend, den Kopf zu seiner Gefährtin und lauscht wohl der Musik ihrer zierlicheren Lyra. K. Schauenburg20 meint dazu: «… also Orpheus und Eurydike» — aber diese Folgerung ist unwahrscheinlich21. In den Darstellungen des Tableau-Typus (und nicht nur in diesen) ist Orpheus jung und unbärtig. Er steht gewöhnlich neben dem Palast bzw. vor dem Unterweltsherrscher, oft mit leicht angedeuteter Tanzbewegung. Gewiss kann man einwenden, dass die einzige Orpheusdarstellung auf einer Vase des Begrüssungstypus anders als üblich gestaltet sein könnte. Dennoch scheint mir die vorgeschlagene Deutung unannehmbar, weil die Vorstellung eines unangefochtenen tête-à-tête der beiden Liebenden im Hades, deren Blickverbindung doch dem Mythos gemäss problematisch sein müsste, grosse Schwierigkeiten macht. Vielleicht ist auf dem Münsteraner Krater ein berühmtes quasi-mythisches Dichterpaar vergegenwärtigt. Man kann z.B. an Sappho und Alkaios denken22. Gut würde dazu die Beobachtung passen, dass der Mann sein Spiel unterbricht, um der Musik der Frau zuzuhören. Für die Orpheus-Ikonographie sollte das Bild indessen nicht in Anspruch genommen werden.

Reduzierte Varianten des Tableau-Typus sind auf Amphoren mit doppeltem Bildfries verwendet worden. Das hängt wohl nicht allein mit den Gegebenheiten der im Vergleich zu den monumentalen Krateren beschränkten Bildfelder zusammen, sondern auch mit Werkstattkonventionen. Drei Vasenbilder dieser Art stammen aus der Werkstatt oder dem näheren Umkreis des Pateramalers23. Hervorzuheben ist die 1974 in Altamura gefundene fragmentarische Amphora24 (Pl. 5). Orpheus steht hier dem thronenden Hades direkt gegenüber, der Palast fehlt. Herakles als Kerberosbezwinger wird von Hermes und Hekate gerahmt, die stehende Persephone schliesst den Fries im Rücken des Hades, und in der unteren Bildzone erscheinen die Danaiden bei ihrer vergeblichen Tätigkeit am überquellenden Pithos. In nuce ist hier alles zusammengestellt, was dem Maler zur Charakterisierung der Unterwelt wesentlich schien. Zu beachten ist der Kopfschmuck des jungen Herakles, dessen Form von einigen anderen Vasenbildern bekannt ist und der wahrscheinlich von den äusserlich ähnlichen Panshörnchen unterschieden werden muss. Das Gebilde sei hier als «Tentakel-Binde» bezeichnet. In einzelnen Fällen drängt sich die Vermutung auf, dass diese Binde (oder der Reif) die — immer jugendlichen — Träger in besonderer Weise kennzeichnen soll; vielleicht sind Eingeweihte gemeint25. Für die Interpretation des Bildes auf der Amphora aus Altamura wäre von Interesse, wenn sich ein Hinweis auf die (eleusinische?) Einweihung des Herakles als Voraussetzung seiner erfolgreichen Katabasis erkennen liesse26. Ein altes Problem ist die Beziehung der Danaiden — die hier im unteren Bildfries auftreten — zu den Mysterien27. In unserem Zusammenhang interessiert aber vor allem die Frage, ob sich Orpheus — wenigstens in diesem Vasenbild — in dieselbe Mysterienthematik einbeziehen lässt. Durch die Konzentration auf ausgewählte Gestalten der Unterwelt und durch ihre besondere Zuordnung zueinander erwecken die Bilder dieser Amphora den Eindruck, dass den einzelnen Figuren hier eine gewichtigere Aussage zugemessen wird, als dies in den Kompositionen des Tableau-Typus in der Regel der Fall zu sein scheint. Diese Aussagen werden durch das leider fragmentarische Bild der Rückseite vervollständigt. Hier war die Bestrafung des Dionysos-Verächters Pentheus (im oberen Fries) anscheinend einer der typischen Darstellungen dionysischer Seligkeit in deutlichem Kontrast gegenübergestellt28. Nahezu zwingend stellt sich hier der Gedanke ein, dass im gesamten «Bildprogramm» dieser Grabamphora die Bedeutung von Mysterienweihen eindrücklich vor Augen geführt werden soll.

Bemerkenswert ist schliesslich auch der kunstvolle Kranz, der die beiden Friese der Amphora voneinander trennt29. Er besteht aus einem Zweig mit gegenständigen Eichenblättern, die mit weissen Beerchen an langen Stielen abwechseln. Um den Zweig schlingt sich ein Band oder Wollfaden, an dem verzierte rundliche Gebilde, vielleicht leergeblasene bemalte Eier, aufgezogen sind. Eine noch kunstvoller gemalte entsprechende Girlande mit Eiern und Eichenblättern ist vor kurzem mit einem neuen Krater des Dareiosmalers in Berlin (Pl. 6b) bekannt gemacht worden. L. Giuliani, der diese Vase mit einer originellen Darstellung des Phrixosmythos in einer vorläufigen Publikation vorgestellt hat30, bemerkt dazu: «Eine festliche Dekoration, die kaum vom Maler erfunden worden sein wird, sondern in Apulien wohl üblich gewesen ist.» Wir dürfen vermutlich hinzufügen, dass solche «Dekorationen» wohl speziell dem sepulkralen Bereich zugeordnet waren. Mit den gemalten Kränzen auf den apulischen Grabvasen lassen sich die kostbareren Goldkränze verbinden, die ebenfalls in unteritalischen Gräbern gefunden wurden, wie der Goldkranz von Armento, der auch Eichenblätter und Eicheln enthält, oder die späteren, einfacheren Eichenkränze, die mit dem gemalten Kranz auf der Amphora aus Altamura auch das Motiv der Mittel-rosette gemeinsam haben31.

Im Rahmen dieses Beitrags sind die Eichenkränze deshalb von besonderem Interesse, weil eine, wenn auch einfachere Variante auf einem noch zu wenig beachteten Krater von der Hand oder aus dem Umkreis des Dareiosmalers ebenfalls mit einer Darstellung des Orpheus verbunden ist, die allerdings nicht mehr zu den Unterweltsbildern gehört, sondern das alte Thema des Orpheus unter den Thrakern abwandelt32.

Als typologisches und inhaltliches Bindeglied kann die eigenartige Amphora in der Sammlung Perrone in Bari33 (Pl. 7) dienen, deren Maler, der nach dieser Vase benannte Perronemaler, dem Dareiosmaler sehr nahesteht34. In leichtfüssigem Tanzschritt tritt Orpheus diesmal rechts von dem thronenden Hades auf. Alle übrigen Hinweise auf die Unterweltsszenerie sind verschwunden. Eine kleine Nike fliegt auf Orpheus zu, um ihn zu bekränzen. Offenbar hat Hades selbst sie soeben entsandt — seine geöffnet ausgestreckte Hand macht dies deutlich. Hier ist Orpheus also für einmal als sieg-und erfolgreich gekennzeichnet — nur deshalb, weil er nach der Sage für kurze Zeit die Unterweltsgötter rühren kann? Zwischen Hades und Orpheus steht am Boden ein Weihrauchständer. Das Requisit ist offenbar in diesem Zusammenhang bedeutungsvoll Auf einer Amphora des Pateramalers in Leningrad, die zum «reduzierten Typus» der Unterweltsbilder gehört35, steht das Thymiaterion hinter Hades, und auf den beiden letzten hier zu behandelnden Vasenbildern wird es uns im Gebrauch begegnen. Einzigartig ist bisher eine schwer zu deutende Zutat in der Darstellung auf der Amphora Perrone: zu beiden Seiten der Mittelgruppe erscheinen je zwei junge Männer, drei von ihnen in zum Teil ungewöhnlicher ausländischer Tracht. Sind hier Thraker als Begleiter des musizierenden Orpheus gemeint, die ihm sogar bis in die Unterwelt gefolgt sind?

Wohl noch im Diesseits sind indessen die Thraker in den beiden schon erwähnten Vasenbildern zu denken, mit denen die Betrachtung der apulischen Orpheusdarstellungen abgeschlossen werden soll. Die Amphora in Bari 87336 (Pl. 8) ist wieder ein Werk des Unterweltsmalers, dessen originelle Beiträge zum Thema der Unterwelt an den Anfang dieses Referats gestellt wurden. Die zweite Vase, ein Kelchkrater in der Sammlung Ludwig im Antikenmuseum in Basel37 (Pl. 9), ist vermutlich dem Dareiosmaler oder wenigstens einem seiner engsten Mitarbeiter zuzuschreiben38. So gehören beide Vasen zuzammen mit der Amphora Perrone in einen engumschriebenen stilistischen Kontext, und entsprechend darf man auch einen verwandten gedanklichen Hintergrund für ihre Darstellungen voraussetzen. Für alle drei stellt sich nicht so sehr die Frage: Wer ist oder was bedeutet hier Orpheus? sondern: Wer sind diese Thraker?

Im oberen Bildfries der Amphora des Unterweltsmalers in Bari 87339 (Pl. 8) nimmt der sitzende Orpheus die Mitte ein. Er spielt auf einer grossen Kithara. Die beiden jungen Thraker hinter ihm sind durch «phrygische» Mützen, gemusterte Aermeltricots, knielange gegürtete Tuniken und Mäntel gekennzeichnet. Beide halten zwei Lanzen, neben dem Sitzenden liegen Bogen und Köcher, seine Hand berührt eine Pelta. Der Stehende führt — als typischer Thraker — ein (weiss gemaltes) Pferd. Ein dritter entprechend gekleideter Thraker steht am linken Bildrand neben einem Luterion, über das er ein Muschelhorn hält, wahrscheinlich um Wasser zu schöpfen40. Über dem Becken hängt ein Rundschild griechischer Form. Wie ein Grieche tritt der vierte junge Mann auf, der Orpheus gegenüber am Wasserbecken lehnt und Weihrauch auf ein Thymiaterion streut. Er ist nackt bis auf den über die Schulter geworfenen Mantel und trägt einen Kranz im schulterlangen, lockigen Haar. Man erinnert sich an den sehr ähnlichen jungen «Familienvater» auf dem Münchner Unterweltskrater desselben Malers41. Ausser dem Weihrauchopfer deutet auch die Phiale in der linken Hand auf eine sakrale Handlung, und in denselben Bereich gehört die kultische Knotenbinde im Hintergrund. Ob der dünne Stab in der Armbeuge des jungen Mannes ihn als Wanderer kennzeichnen soll, ist ungewiss. Wer ist dieser «ideale Jüngling», der so deutlich von der thrakischen Umgebung abgehoben ist, sich aber auch nicht ohne weiteres mit den Handlungsträgern des Grabkultes im unteren Bildstreifen der Amphora verbinden lässt?

Dieselbe Gestalt begegnet nun in der Darstellung des erst seit kurzem bekannten Kelchkraters in der Sammlung Ludwig in Basel42 (Pl. 9). Die Unterschiede zum Pendant in Bari sind — was diese eine Figur betrifft — gering. Anders ist hier die Haartracht, die, wie im engeren Umkreis des Dareiosmalers üblicher, in einer kurz gehaltenen Lockenfrisur besteht. Statt des Stabes hält dieser junge Mann zwei Speere. Die drei Thraker sind hier auf einen einzelnen reduziert, der aufrecht hinter dem sitzenden Orpheus steht und als Gegenfigur des griechischen Jünglings aufzufassen ist. Ueber der Dreiergruppe sitzt Aphrodite, auf die Eros mit eine Tänie zufliegt. Bedeutungsvolle Zeichen im Bildhintergrund sind die sakrale Knotenbinde mit Votivtäfelchen oben links und die grosse dionysische Traube auf der rechten Seite43.

Vergleicht man beide Bilder mit der «hybriden» Unterweltsdarstellung auf der Amphora Perrone44 (Pl. 7), erhält die Beobachtung ein neues Gewicht, dass dort der junge Mann rechts von Orpheus nur noch teilweise als Thraker charakterisiert ist. Von seinen Gefährten unterscheidet er sich durch den griechischen Petasos, aber auch durch die Opferphiale. Stellt er gleichsam eine Vorform des «idealen Jünglings» der beiden anderen Vasenbilder dar? Es ist zu fragen, ob die unübliche Gewandung der beiden äusseren Thraker auf der Perrone-Amphora als Hinweis ernst zu nehmen ist: beide haben bis zu den Füssen reichende Manteltücher um den Unterkörper geschlungen — eine Gewanddrapierung, die auf den Vasenbildern dieser Gruppe sonst den Sitzfiguren des musizierenden Orpheus und des Hades Vorbehalten ist45. Den «Normaltypus» des Thrakers vertritt allein der Stehende im Rücken des Hades. Auffällig ist, dass der Sitzende neben dem Petasosträger seine fremdländische Kopfbedeckung abgenommen hat und in der Hand hält. Verkörpern die vier Thraker auf dieser Vase verschiedene Stufen einer Entwicklung, deren telos sich uns nicht ohne weiteres erschliesst?

Vermutlich sind diese Bilder nicht mit dem Code einer vereinfachenden hellenozentrischen Weltanschauung zu lesen. Es geht wohl nicht um den plakativen Gegensatz zwischen Hellenen und Barbaren beziehungsweise um die Überwindung dieses Gegensatzes. Für die zeitgenössischen Griechen waren die Thraker längst eine konkrete geschichtliche Präsenz geworden46, doch blieben die unbestimmten Vorstellungen von den mythischen Thrakern davon anscheinend unberührt. Wenn wir versuchen, ihre Funktion in den späten Orpheusdarstellungen als metaphorisch zu begreifen, verliert die ethnische Identität dieser rätselhaften Figuren an Bedeutung. Der opfernde «griechische» Jüngling, der so deutlich von den «Thrakern» abgehoben ist, könnte das erreichbare Ziel, die Einweihung, verkörpern, dem sich die übrigen, unter der Anleitung des Orpheus, erst nähern. Die begleitenden Darstellungen auf denselben Vasen, die vom Mythos befreiten Bilder seligen Beisammenseins oder von Begegnungen am Grab (im unteren Bildstreifen der zweizonigen Amphoren Perrone und Bari 873) und besonders das dionysische Bild auf der Rückseite des Kraters in Basel47, scheinen eine Interpretation der spätapulischen Thrakerdarstellungen in dem angedeuteten Sinne zu begünstigen.

Nachzutragen bleibt eine genauere Betrachtung des Eichelmotivs, das als unterer Bildabschluss auf dem Orpheus-Krater in der Sammlung Ludwig in Basel verwendet wurde. Es unterscheidet sich deutlich von der kunstvollen Eichengirlande mit den «ausgeblasenen Eiern» auf der Unterweltsamphora aus Altamura, für die sich als nächste Parallele der Phrixoskrater des Dareiosmalers in Berlin anführen liess48 (Pl. 6b). Auf dem Krater Ludwig (Pl. 9) hat der Maler ganz auf die Angabe von Eichenblättern verzichtet, die bei den beiden anderen Girlanden hervorgehoben werden. Hier scheint es indessen gerade auf die Eicheln anzukommen, die wechselständig aus einer nicht der Natur entsprechenden Ranke wachsen. Nach einer Abbildung könnte man versucht sein, die Gebilde für Hagebutten zu halten, doch ist am Original die typische Doppelform mit dem anders gefärbten Unterteil deutlich zu erkennen. Mit der eigenartigen Eichelranke des Basler Kraters lässt sich ein entsprechendes Gebilde am Hals eines Kraters mit Naiskosdarstellung in Brüssel vergleichen, der dem Gioia del Colle-Maler zugeschrieben wurde49.

Haben die Eichelranken, die wohl nicht als «blosses Ornament» einzuschätzen sind, eine andere Bedeutung als die Blätterkränze50? Nicht ohne Bedenken wird man verstreute antike Nachrichten heranziehen, um mögliche Konnotationen des Eichelmotivs herauszufinden, die sich mit dem Gehalt der apulischen Grabvasenbilder verbinden liessen51. Es fällt indessen auf, dass die Eicheln zur Kennzeichnung besonderer Urtümlichkeit dienen konnten. Als Eichelesser, ßαλανηφάxγοι, galten die Arkader in der Abgeschlossenheit ihres Berglandes52. Im Ablauf der Menschheitsentwicklung dachte man sich die Eichelnahrung als frühe Erscheinung, die dem Getreideanbau voranging. Die Vorstellung von einander ablösenden Kulturphasen liegt nicht fern, wenn Orpheus, dem Züge eines Kulturstifters anhaften, die Szene beherrscht. Anders als in den figurenreichen Unterweltsbildern des Tableau-Typus wirkt Orpheus als bestimmender Mittelpunkt in den drei interessanten Vasenbildern mit Thrakerdarstellungen, in denen wir unbestimmte Hinweise auf Mysterienweihen zu erkennen glaubten. Die weitere menschheitsgeschichtliche Perspektive, die Abfolge der Zeitalter, lässt sich gut mit dem Charakter der Initiationen in Einklang bringen, die im besonderen den jugendlichen Initianden solche überindividuellen Entwicklungsphasen in Zeitraffung durchleben beziehungsweise simulieren liessen53.

Nachtrag

Erst nach dem Genfer Kolloquium wurde durch K. Schauenburg eine weitere interessante Darstellung bekannt gemacht, die Orpheus unter den Thrakern zu meinen scheint54. Es handelt sich um eine spätapulische Amphora in Privatbesitz (Pl. 10), die dem Ganymedmaler zugeschrieben werden kann und etwa um 330 v. Chr. zu datieren ist. Das Hauptbild weist einige ungewöhnliche Züge auf, so ist der durch eine «orientalische» Mütze gekennzeichnete Kitharaspieler hier merkwürdigerweise ein alter Mann mit weissem Haar und Bart. Kann man sich den mythischen Sänger Orpheus, dessen früher Tod untrennbar zu seiner Geschichte gehört, gealtert vorstellen? Die typischen Begleitfiguren, die zuhörenden Thraker — hier sind es drei junge Männer — lassen zunächst keinen Zweifel an der Benennung der Hauptfigur zu. Ihre Funktion ist allerdings hier, gegenüber den Vasenbildern in Bari und Basel, reduziert, da keiner von ihnen mit einem Weihrauchopfer beschäftigt ist. Ein Thymiaterion wird indessen in der oberen Bildzone zusammen mit einer Blütengirlande von einer Nike herbeigebracht. Diese Blumenkette nun, die fast in der Bildmitte vor «Orpheus» herabhängt, muss vermutlich als ein entscheidendes Bildzeichen gelesen werden. Wir kennen solche Gebilde sonst — vor allem im Werk dieses Malers — als charakteristische Opfergaben in Grabszenen. Meistens werden sie von Grabbesuchern gehalten. Diese besondere Form der grossblütigen Blumenkette kann geradezu als Chiffre für die Welt des Grabes gelten. Wenn also die Flügelgestalt auf der neuen Amphora dem Kitharaspieler ein solches sepulkrales Blumengebinde überbringt, ist zu fragen, ob dieser dadurch als Verstorbener — im Unterschied zur Mythengestalt — gekennzeichnet werden sollte.

Man kann erwägen, ob der weisshaarige Kitharaspieler sich in einer — recht zurückhaltend angedeuteten — Wettstreitsituation befindet. Im dargestellten Moment hat er vom Spiel abgelassen, wie die Handführung anzeigt: die rechte greift an die Stimmwirbel. Inzwischen bläst der junge Pan im oberen Bildteil unverdrossen auf seinem Doppelaulos. Auch diese Situation ist für eine Orpheusdarstellung ungewöhnlich, ja unerhört, denn der thrakische Sänger ist uns als konkurrenzloser Solist vertraut. Die Assoziation des makaber endenden Wettstreites zwischen Apollon und Marsyas scheint hier nicht recht zu passen. Besser vergleichen lässt sich vielleicht die eigenartige Grabgruppe im Getty-Museum in Malibu55, die auf den Wettstreit zwischen Sänger und Sirenen anzuspielen scheint, wobei dort, wie ich glaube, die Gestalt des «Orpheus» (in vielleicht übertrieben schmeichelhafter Weise) mit derjenigen des Grabbesitzers verschmolzen ist. Eine vergleichbare Transformation ist möglicherweise die Grundlage des Bildes auf der neuen apulischen Amphora. Der Ganymedmaler, dessen Œuvre heute gut bekannt ist, hat sich hier jedenfalls keine Gedankenlosigkeit erlaubt, sondern er verfolgte eine Absicht, wenn er das unübliche Merkmal der Weisshaarigkeit mit dem hervorgehobenen Requisit der sepulkralen Blumenkette und mit dem Motiv des musizierenden Pan verband. Die Vase muss zusammen mit der anderen wichtigen Amphora desselben Malers in Basel56 gesehen werden, auf der ein wie üblich jugendlicher Orpheus als Kitharöde dem mit einer Papyrusrolle versehenen bärtigen Verstorbenen gegenübertritt. Ist der Maler mit der rätselhaften Amphora in Privatbesitz noch einige Schritte weitergegangen, indem er einen Rollentausch zwischen dem mythischen Sänger und dem Verstorbenen inszenierte?

Gewiss ist dieser Interpretationsversuch problematisch: er setzt einen hohen Grad der Angleichung zwischen «wirklichen» Menschen und Mythengestalten voraus, die wir gewöhnlich erst im Bildprogramm römischer Sarkophage zu fassen glauben. Doch hat gerade in der jüngeren Forschung die Vermutung Boden gewonnen, dass Gedankengut und Ausdrucksformen Unteritaliens wegbereitend für die römische Sepulkralkunst gewirkt haben.

Abschliessend noch eine Überlegung zum aulosblasenden Jüngling, der eine Schlüsselfigur in der rätselhaften Szene um den gealterten Oprheus sein muss. Zu einem panähnlichen Wesen machen ihn allein die Stirnhörnchen und — vielleicht — die tierischen Ohren (ob solche vorhanden sind, ist auf der Photographie nicht zu erkennen). Trägt er also tatsächlich zu Recht die Bezeichnung Pan, die ihm in der ersten Veröffentlichung gegeben wurde? Derselbe Ganymedmaler hat auf seiner Situla in Bloomington57 zwei unverkennbare Pane, einen in der bocksfüssigen Variante des Aigipan, dargestellt. Beide sind mit Syrinx und Lagobolon ausgerüstet und haben, wie üblich, kurzes Haar. Die schulterlangen Locken des Aulosbläsers auf der neuen Amphora sind für Pan ebenso ungewöhnlich wie sein Instrument58. Es sind nun gerade diese Schulterlocken, die er mit dem «idealen Jüngling» am Thymiaterion auf der Amphora Bari 873 und mit dem jungen Mann auf dem Münchner Unterweltskrater gemeinsam hat. Ist das Thymiaterion, das die Nike mit vorwärtsgestrecktem Arm präsentiert, für den Pan-Jüngling bestimmt, damit er ein geziemendes Opfer vollziehe? Und hilft zum Verständnis seiner Identität und Funktion eine Bemerkung in Platons Nomoi (815 c-d) weiter, in der von bachischen Tänzern die Rede ist, die sich selbst «Nymphen und Pane und Silene und Satyrn» nennen und gewisse ϰαθαρμούς τε ϰαὶ τελετάς vollziehen?

Bibliographie BZW. Abkürzungen

Lohmann, GrabmälerLohmann, Hans, Grabmäler auf unteritalischen Vasen, Berlin, Mann, 1979.
Lohmann, AmphiaraosLohmann, Hans, Der Mythos von Amphiaraos auf apulischen Vasen, Boreas 9, 1986, 65-82.
PensaPensa, Marina, Rappresentazioni dell’oltretomba nella ceramica apula, Rom, L’erma di Bretschneider, 1977.
RVApTrendall, Arthur Dale ; Cambitoglou, Alexander, The Red-figured Vases of Apulia, Bd. 1, 1978, Bd. 2, 1982, Oxford, Clarendon.
Schmidt, OrfeoSchmidt, Margot, Orfeo e orfismo nella pittura vascolare italiota, in : Orfismo in Magna Grecia. Atti del quattordicesimo convegno di studi sulla Magna Grecia 1974. Neapel, Arte tipografica, 1978.
Schmidt-Trendall, GGVSchmidt, Margot ; Trendall, Arthur Dale ; Cambitoglou, Alexander ; Eine Gruppe apulischer Grabvasen in Basel. Studien zu Gehalt und Form der unteritalischen Grabkunst. Mainz-Basel, von Zabern, 1976.

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1 Schmidt, Orfeo.

2 Zum Maler : RVAp 531 ff. Der Münchner Krater : RVAp 18/282 (533) Taf. 194.- LIMC IV s.v. Hades, 385 Nr. 132, Taf. 220.

3 Furtwängler, A./Reichhold, K., Griechische Vasenmalerei (1900) Bd. 1, 48 ff. zu Taf. 10. Vgl. Schmidt, Orfeo, 119 f.

4 RVAp 18/284 (533) Taf. 196.- L1MC IV s.v. Hades, 387 Nr. 154, Taf. 224.

5 Vgl. LIMC IV s.v. Eurydike I, 98 f. (G. Schwarz). Zur Anonymität der Orpheusgemahlin, die möglicherweise erst in der nachklassischen Zeit den Namen Eurydike erhielt, vgl. hier J. Bremmer mit Anm. 3 ff. Die von Bremmer wieder erwähnten apulischen Vasenfragmente des Dareiosmalers in Karlsruhe, RVAp 18/82 (504) lassen sich zusammen mit dem heute verschollenen (aber auf einer wohl zuverlässigen Zeichnung mit dem Eurydike-Fragment verbundenen) dritten Fragment meines Erachtens mit Sicherheit zu einer Unterweltsszene ergänzen. Das Ensemble wurde kürzlich von G. Zuntz, Antike Kunst 33, 1990, 93 ff. in einem Artikel erneut untersucht, in dem es im besonderen um die Eliminierung des Phantoms Aion geht. Die auf dem Karlsruher Fragment B 1550 namentlich bezeichnete Eurydike dürfte eine andere der vielen Trägerinnen dieses Namens sein. Sie nimmt nämlich offenbar in keiner Weise auf den im unteren (heute verschollenen) Fragment dargestellten (Namensrest) Orpheus Bezug. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt scheinen mir die Karlsruher Fragmente geradezu einen Beweis dafür zu liefern, dass die Orpheusgemahlin zur Entstehungszeit dieser Vase im 4. Jh. zum mindesten in Apulien noch nicht unter dem Namen Eurydike allgemein bekannt war. Nur deshalb konnte der Name selbst im Bildzusammenhang der Unterwelt problemlos für eine andere Heroine verwendet werden. Bezeichnend ist, dass derselbe Dareiosmaler auf dem bekannten Archemoroskrater in Neapel H. 3255, RVAp 18/42 (496) eine andere Eurydike, die Mutter des Opheltes-Archemoros, mit Namensbeischrift dargestellt hat.

6 Herrscher und Athlet. Die Bronzen vom Quirinal. Ausstellungskatalog Bonn (1989) 58 mit Abb. 23.

7 a.O. 67, Sp.2 Mitte.

8 LIMC IV s.v. Herakleidai, 723 ff., bes. 726 ff. (Μ. Schmidt) : Krater Karlsruhe ib. Nr. 11, Krater Neapel ib. Nr. 10.

9 RVAp 18/318 (538). Vgl. auch Schmidt-Trendall, GGV, 38.

10 Alkestis 357-362, hier in der Übersetzung von H. von Arnim.

11 Vgl. RVAp, 538 zu Nr. 318.

12 Dass in diesem Bild das Motiv der Jagd angesprochen sein könnte, wird, ausser durch die Jagdspeere des jungen Mannes, auch durch den Hund neben Hermes (der bei Artemis weniger auffällig wäre) und vielleicht auch durch die Gegenwart des zur freien Natur gehörenden Pan nahegelegt.

13 Ausser den etwas älteren Unterweltskrateren in Karlsruhe und Neapel H. 3222 (RVAp 16/81, Taf. 160,1 und RVAp 16/82, Taf. 160,2) gehören dazu, als Untergruppe, die weniger lange bekannten folgenden Kratere : Malibu, Getty Museum 77. AE. 13 (LIMC IV, s.v. Herakleidai 727 Nr. 15, Taf. 444 ; Schauenburg, Unterweltsbilder, Taf. 94) ; Kiel (LIMC a.O. Nr. 13, Taf. 443 ; Schauenburg a.O. Taf. 100) und Priv.Slg. Bari (LIMC a.O. Nr. 14 und LIMC IV, s.v. Hades, 384 Nr. 126, Taf. 219 ; Schauenburg a.O. Taf. 113-115). — Hier und im Folgenden wird zunächst eine Grobeinteilung der Unterweltsvasen für den praktischen Gebrauch vorgenommen, die verfeinert werden müsste. Die aufgeführten drei Kratere der Untergruppe erscheinen gegenüber den drei Hauptvasen des Tableau-Typus schon reduziert. Auffällig ist vor allem, dass das Motiv des Herakles mit dem Kerberos nun wegfällt, wie übrigens allgemein auf den späten Unterweltsvasen. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass auch die Unterweltsrichter, zu denen Triptolemos gehören kann, nur auf der relativ früh belegten Hauptgruppe vorkommen. Das heisst, auf den späteren Unterweltsvasen fehlen die Motive, die man gelegentlich mit eleusinischen Vorstellungen in Verbindung zu bringen versuchte. Vgl. unten zur Amphora aus Altamura mit Anm. 24 f.

14 So der späte Krater Leningrad St. 424 : RVAp 28/117 (930) ; LIMC III s.v. Danaides, 339 Nr. 18, Taf. 250 ; Pensa, Taf. 8. Der zweite Unterweltskrater in Leningrad, St. 426, ist besser dem reduzierten Typus (vgl. Anm. 15 und 23) zuzuordnen, da hier der Unterweltspalast fehlt : LIMC a.O. Nr. 13, Taf. 250 ; Pensa, Taf. 9.

15 Zu den Amphoren aus dem Umkreis des Pateramalers Unten Anm. 23 f.

16 Universitätssammlung Nr. 185 : RVAp 18/75 (503) : Dareiosmaler ? LIMC III, s.v. Amphiaraos, 704 Nr. 80.

17 Dazu jetzt vor allem Lohmann, Amphiaraos. Sechs Kratere dieses Typus sind weitgehend erhalten : einer vom Ganymedmaler (RVAp 25/10 a : Schweizer Priv. Bes. ; Lohmann, Amphiaraos Taf. 9,2, 10 ; LIMC III, s.v. Dike, 389 Nr. 6, Taf. 280) sowie fünf vom Baltimoremaler (RVAp 27/16 : Bari ; 27/22 a : Schweizer Priv. Bes. ; 27/23 : Basel ; noch nicht in RVAp : Krater in der Slg. Guarini, Pulsano : Todisco, L. ArchClass 35, 1983 — erschienen 1986 — 45 ff. Taf. 14-16 ; LIMC IV, s.v. Hades, 387 Nr. 159 ohne Abb. Zum Krater in Münster vgl. unten mit Anm. 19).

18 Schmidt-Trendall, GGV 60 ff. und bes. 67 oben ; Lohmann, Amphiaraos, bes. 72 ff.

19 Archäologisches Museum der Universität. Stähler, K., (Ausstellungskatalog) Griechische Vasen aus westfälischen Sammlungen, 1984,208 ff., Nr. 85 ; Schauenburg, Unterweltsbilder, 368 f., Taf. 116 ; Lohmann, Amphiaraos, 65 ff. bes. 77 ff., Taf. 12-13. — Der Krater ist ein Werk des Baltimoremalers wie die meisten Vasen des Begrüssungs-Typus. Vgl. Anm. 17.

20 Unterweltsbilder, 369.

21 Lohmann, Amphiaraos 73 nimmt die Benennung Orpheus als gegeben. Er sieht « die eklektische Arbeitsweise der apulischen Vasenmaler… eindrucksvoll illustriert… wenn hier Orpheus, als der Protagonist im Hades schlechthin, plötzlich als Randfigur, nur noch der Staffage einer breit angelegten Unterweltsschilderung dient. » Über die Begleiterin meint er 78 : « Für die Lyraspielerin …will einem so recht kein anderer Name als Eurydike einfallen. »

22 Das Paar hätte immerhin einen älteren Vorläufer in der attischen Vasenmalerei auf der bekannten kalathoiden Vase des Brygosmalers, München, 2416, ARV2 385, 228. Die « ausländische » Kleidung (auf dem apulischen Krater) wäre wohl auch für den Lesbier vertretbar, zumal er einen Teil seines Lebens in der Verbannung — Thrakien oder Aegypten — verbrachte.

23 Amphora Leningrad St. 498 : RVAp 23/46 (733) ; Pensa, Taf. 12 ; LIMC IV, s.v. Hades 387 Nr. 156, Taf. 224. Das Bild ist auf die Gegenüberstellung von Hades und Orpheus zusammengeschrumpft. Die beiden rahmenden Frauen mögen unbenannt bleiben ; sinnlos ist ihre Darstellung sicher nicht. — Amphora London B.M. 332 ; RVAp 23/45 (733) ; Pensa, Taf. 11 ; LIMC IV, s.v. Hades 387 Nr. 149, Taf. 223. Die Vase wirkt wie ein Pendant zur Leningrader Amphora. Statt Orpheus steht hier Persephone Hades gegenüber. Zur Amphora aus Altamura s. folgende Anm.

24 Sie befindet sich vermutlich immer noch im Magazin des Museums in Tarent : RVAp 23/293 (763) Taf. 284, 1 : « Close in style to the Patera-Painter. »

25 Dem Problem kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. Zu dem fraglichen Kopfschmuck vgl. z. B Andreassi, G, Ceramica Italiota a figure rosse della collezione Chini del Museo Civico di Bassano di Grappa (1979) 120 zu Nr. 60 und die Bemerkungen von Rumpf, A. in : Symbola Coloniensia Josepho Kroll Sexagenario (Köln, 1949) 96. — Ein gutes Beispiel für den meines Erachtens nicht bedeutungslosen Aufsatz über der Stirn findet sich bei dem Jüngling im Grabnaiskos auf dem Gnathia-Glockenkrater Bari 6701 aus der Slg. Polese : Lohmann, Grabmäler 306 Nr. V 1, Taf. 18, 4. Vgl. auch den (weniger ausladenden) Aufsatz auf dem Diadem des « Eumolpos » auf der Amphora mit eleusinischer Szene aus Kos : Schwarz, G. Triptolemos (1987), 146, Taf. 16, Abb. 28. Ist der von G. Schwarz a.O. 94 (mit Hinweis in Anm. 54) charakterisierte knopfartige Besatz eine bedeutungsgleiche Variante ? S. auch unten Nachtrag.

26 Dazu bes. Graf, F., Eleusis und die orphische Dichtung Athens in vorhellenistischer Zeit (1974), 142 ff. Zur Heraklesgruppe auf den Unterweltsvasen Pensa 73.

27 Die Menge der Literatur zum Thema ist erdrückend. Hier mag der Hinweis auf den Artikel Amyetoi in LIMC I, 736 ff. (A. Kossatz-Deissmann) genügen.

28 Abb. Schauenburg, K., RM 90, 1983, 348 Taf. 85, 3 ; Vgl. die Beschreibung RVAp 763 zu Nr. 293. Das im unteren Fries noch erhaltene Tympanon ausser einem Frauenkopf macht deutlich, dass hier eine dionysisch gefärbte Grabkultszene bzw. ein Thiasos von « Seligen » — wie auf vielen vergleichbaren Vasen — dargestellt war.

29 Gut zu erkennen auf RVAp Taf. 284, 1. Hierzu auch unten Anm. 50.

30 Bildervasen aus Apulien. Bilderhefte der Staatl. Museen Berlin 55, 1988, 6 ff. Phrixoskrater (Dareiosmaler). Der Eichenkranz am oberen Teil des Vasenhalses : Farbtafel 1, Text S. 6.

31 Zum neuerdings wiederholt behandelten Kranz von Armento z. B. Hamdorf, F.W., MJb 30, 1979, 31 ff. ; Lullies, R., JdI 97, 1982, 91 ff. ; zuletzt : de la Genière, J., Epire et Basilicate : à propos de la couronne d’or d’Armento, in : Akten des 13. Internat. Kongresses für Klass. Archäologie, Berlin, 1988, 333 ff. Zu den einfacheren unteritalischen goldenen Eichenkränzen : De Juliis, E. u.a., Gli ori di Taranto in età ellenistica (1984) bes. 75 ff. und 83 (L. Masiello) ; Beispiele 100 ff. (auch Kranz von Armento).

32 Dazu unten 44 und Anm. 37-38.

33 RVAp 18/225 (523), Taf. 190 ; Schmidt, Orfeo 112, Taf. 5-6.

34 Zum Maler RVAp a.O. 522.

35 Oben Anm. 23.

36 RVAp 18/325 (538) ; Schmidt, Orfeo 108 ff., Taf. 1-3,1.

37 Inv. S 41 H. 41-44 cm. (schief). Schauenburg, Unterweltsbilder 382, Taf. 120. (Kein Glockenkrater, wie dort angegeben, sondern ein Kelchkrater. Die verglichene Amphora ist nicht Bari 863, sondern 873).

38 Zur Zuschreibung an den Dareiosmaler vgl. vorläufig Trendall, A.D. in : Enthousiasmos. Essays presented to J.M. Hemelrijk. Allard Pierson Series 6, 1986, 161 f. ; demnächst ders. Suppl II zu RVAp. Ich bin nicht sicher, ob die Vase nicht eher einem « close follower » des Dareiosmalers zuzuschreiben wäre.

39 Oben Anm. 36.

40 Die Verbindung von Thraker, Louterion und Muschelhorn ist auch auf dem etwas älteren Volutenkrater Nr. 270 in der Sammlung « H.A. » in Mailand gegeben : RVAp 16/42 (421) ; Schmidt, Orfeo 109 f., Taf. 4. Ein Muschelhorn hält auch einer der Thraker auf dem mittelapulischen Volutenkrater des Malers von Athen 1714 in Neapel H. 1978 : RVAp 8/147 (211) ; Schmidt, Orfeo 108 f., Taf. 3, 2-3. Auf diese beiden Darstellungen von Orpheus unter den Thrakern gehe ich hier nicht nochmals ein. Zum Motiv des Muschelhorns Moret, J.M., AntK 21, 1978, 89 f.

41 Es muss betont werden, dass diese Schulterlocken-Frisur selten dargestellt wurde. Man findet sie nicht in den Darstellungen von Offranten am Grabnaiskos oder an der Grabstele. Hierzu auch unten 49 f.

42 Oben Anm. 37-38.

43 Am oberen Bildrand hängt zwischen Aphrodite und Eros eine Binde besonderer Art, die einen flachen Bogen bildet. Sie sieht aus wie ein kräftiges Wollseil, das mit dünneren Fäden umwunden und an diesen befestigt ist.

44 Oben 42 mit Anm. 33-34.

45 Zu vergleichen sind z.B. der Hades auf derselben Amphora sowie der Orpheus auf dem Krater der Sammlung Ludwig in Basel. Man kann sich fragen, ob die Manteldrapierung bei den beiden Thrakern nur dazu dienen sollte, die Unterscheidung von den Amazonen zu sichern. Männliche Thraker, Orientalen und Amazonen werden in der spätapulischen Vasenmalerei in der Tat sehr oft zum verwechseln ähnlich dargestellt. Zu diesem Problem Moret a.O. (oben Anm. 40) 87 f.

46 In der 2. Hälfte des 4. Jhs. müssen die Thraker nicht zuletzt durch ihre kriegerischen oder auch friedlichen Berührungen mit den Makedonen ins Blickfeld der Hellenen getreten sein. Um 330 kam es sogar zu einem Bündnis zwischen Odrysen und Athenern gegen die Makedonier. Zur historischen Lage Oppermann, Μ., Thraker (1984), bes. 146 f. Zu kulturellen Kontakten Zazoff, P.- Höcker, Chr.- Schneider, L. : Zur thrakischen Kunst im Frühhellenismus. Griechische Bildelemente in zeremoniellem Verwendungszusammenhang. AA 1985, 595 ff. ; Zazoff, P., Schneider, L., Thrakien im Frühhellenismus. Eigenständigkeit und Abhängigkeit einer antiken Kultur im Spiegel ihrer Kunst. Antike Welt 17, 4, 1986, 3 ff.- Interessant ist in unserem Zusammenhang, dass der Dareiosmaler auf einem anderen Kelchkrater einen ausgefallenen in Thrakien lokalisierten Mythos, die Geschichte der Heroine Rhodope, dargestellt hat : Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig S 34. RVAp 18/64 (501). Zur Interpretation Schmidt-Trendall, GGV 97 ff. mit Taf. 23-26.

47 Schauenburg, Unterweltsbilder Taf. 120, 2. Es muss allerdings betont werden, dass die überwiegende Mehrzahl der Rückseitenbilder kleinerer Kratere in dieser Zeit dionysisch geprägt sind.

48 Oben Anm. 29 und 30.

49 RVAp 17/5 (458) ; CVA Bruxelles 2, IV Db Taf. 3, 2a. Im Grabnaiskos auf der Vorderseite dieser Vase sitzt ein Jüngling, der ein Schwert in der Scheide vor sich hält.

50 Dem Eichen-und Eierkranz auf dem Berliner Krater (oben Anm. 30) entspricht auf der Rückseite des Vasenhalses eine Efeuranke, die als dionysisch bezeichnet werden darf, da der Hauptfries des Halsbildes hier die eindeutig dionysische Szene eines « Weinwunders » zeigt : aus zwei Trauben rinnt der Saft ohne menschliches Zutun in die Phiale des jugendlichen Dionysos (oder Mysten). Zum Motiv Schmidt-Trendall, GGV 36. Für den Berliner Krater scheinen die Ornamente also mit Bedacht ausgewählt worden zu sein. Der Eichenkranz ist hier wie auf der Amphora aus Altamura durch das Motiv der Eier zusätzlich ausgezeichnet. Eier wurden bekanntlich hin und wieder in Gräbern gefunden ; sie dürfen als Lebenssymbol gelten. Die Berliner « Ostereier » fügen sich gut in die Thematik, die durch das Weinwunder auf der anderen Seite angedeutet wird. Die blattlose Eichel-« Ranke » auf dem Basler Orpheuskrater und auf dem Krater in Brüssel (Anm. 49) wird vermutlich eine etwas andere Bedeutung haben.

51 Lohmann, Grabmäler 118 f., 121 und bes. 128 hat dazu wichtige Bemerkungen beigesteuert und die apulischen Beispiele (in der Mehrzahl nur einzelne Eicheln, keine Ketten) zusammengestellt. Ergänzend( ?) Schauenburg, Unterweltsbilder 382, 158. (Es wird nicht recht deutlich, ob die dort aufgeführten Beispiele alle mit Eicheln zu tun haben). — Interessant auch Zancani Montuoro, P., Ghiande su monete greche, in : Rendiconti 34, 1979, 1 ff. (zum Motiv der Eichel auf Münzen, die der Stadt Laos zugeschrieben werden, sowie auf Münzen von Mantinea).

52 Herodot I, 66, wo die Pythia die Arkader so bezeichnet. Plat., Polit. 372 d nennt unter den zum gesunden einfachen Leben gehörenden Speisen auch die φηγοὺς (hier nicht βαλάνους). Zur Verwendung des Begriffs RE 5, 2, 2030 f. (Olck).

53 Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Motiv der Eicheln auch in der thrakischen Kunst wiederholt vorkommt, allerdings soweit ich sehe in Gestalt von einzelnen Früchten. Vgl.z.B. die beiden Silberphialen aus dem Schatz von Rogozen : Ausstellungskatalog Der Thrakische Silberschatz aus Rogozen Bulgarien (1988) 128 ff. Nr. 94-95 : Eicheln mit Stierköpfen alternierend. Trotz des in Anm. 46 angesprochenen Sachverhalts ist wohl wenig wahrscheinlich, dass die (anders gestaltete) Eichelkette auf dem Orpheus-und Thraker-Krater in Basel ein « thrakisches » Zitat darstellt.

54 Schauenburg, K., Zu einigen apulischen Vasen in einer Privatsammlung, AA 1989, 232 ff. Abb. 6-8 ; ders. Jb. des Museums f. Kunst und Gewerbe Hamburg 6/7, 1988, 44 Abb. 6.

55 Terrakotta-Gruppe « aus Süditalien ». J. Paul Getty Museum Malibu 76. AA. 11. Guidebook to the J.P. Getty Museum (1980) 34 mit Abb. ; Vermeule, C.C., Greek and Roman Sculpture in America (1981) 150-151, Nr. 118 (Orpheus und eine der beiden Sirenen).

56 Inv. S 40. RVAp 25/15 (798) ; Schmidt-Trendall, GGV 32 ff. Taf. 11.

57 RVAp 18/11 (478) ; inzwischen von A.D. Trendall dem Ganymedmaler zugeschrieben.

58 Von den wenigen Beispielen mit Darstellung von Pan mit Doppelaulos bei Schauenburg, K., Pan in Unteritalien, RM 69, 1962, 38, 33 ist allein die bescheidenen Oinochoe Tarent LG. 4652 — Schauenburgs Nr. 68 — apulisch.