Anazetesis und parastasis anhand der Dokumentation zu den Nyktostrategen
Die Papyri der Spatantike berichten mehrfach über Personen, die versucht haben, sich dem Zugriff des Staates zu entziehen. Waren die Beweggründe dafür auch verschiedenartig, ist allen Fallen dennoch gemeinsam, dass der Staat seinerseits darauf reagieren musste. Er lieβ nach den betreffenden Personen fahnden und sie durch die Behörden zur Gestellung bringen. Dieser Vorgang wird im Griechischen mit den Worten ἀναζήτηcιc und παράcταcιc bezeichnet. Den einzelnen Dokumenten ist jedoch nicht immer zu entnehmen, ob einer Gestellung tatsächlich eine Fahndung vorausgegangen ist. Auch Personen, die nicht flüchtig waren, konnten zur Gestellung gebracht werden, um den staatlichen Zugriff auf sie sicherzustellen.
Mit der Organisation dieser Vorgänge in der römischen Kaiserzeit hat sich erst vor kurzem Andrea Jördens auseinandergesetzt2. Hier soll das Hauptaugenmerk auf die Gegebenheiten im Ägypten der Spätantike gelegt und vor allem die Beteiligung einer bestimmten Beamtengruppe – nämlich der Nyktostrategen – an Personensuchen und -gestellungen beleuchtet werden3. Die Nyktostrategen waren städtische Polizeifunktionäre, die mit einer öffentlichen Exekutivgewalt ausgestattet waren, wobei natürlich zu beachten ist, dass nicht alle Facetten dieses modernen Begriffs auf die Antike übertragen werden dürfen. Der erste Beleg für den Amtstitel stammt aus dem Ende des 2. Jh., der letzte vom Beginn des 7. Jh.4 Die Amtsträger dürften – zumindest im 3. und 4. Jh. – groβteils aus dem Milieu der Ratsherrn hervorgegangen sein5. Ihre Aufgaben umfassten unter anderem die Bearbeitung von Anzeigen wegen Gewaltdelikten und die Organisation des Wachpersonals.
Über die Tätigkeit der Nyktostrategen im Zusammenhang von Fahndungen und Gestellungen geben bislang vor allem vier Urkunden Auskunft. Sie stammen aus den mittel- und oberägyptischen Städten Herakleopolis, Oxyrhynchos, Hermupolis und Panopolis und werden ins 3. bis 5. Jh. datiert. Es handelt sich dabei durchwegs um Schreiben aus der verwaltungsinternen Korrespondenz, wobei Fahndung und Gestellung in drei Fällen den Hauptgegenstand der jeweiligen Schreiben bilden. In P.Oxy. L 3571 (Herakleopolis, 286) erstattet ein Systates dem Strategen des Herakleopolites Bericht und lässt ihn wissen, dass er auf Befehl des praefectus gemeinsam mit dem Nyktostrategen nach flüchtigen Minenarbeitern gesucht, diese aber nicht gefunden habe. Die Sammelurkunde P.Panop. Beatty 1 (Panopolis, 298) enthält Befehle des Strategen des Panopolites, mit dem er die Nyktostrategen anweist, einmal einen Schmied (213-216), ein andermal sämtliche Handwerker der Stadt (342-346) zu suchen und zu gestellen. Diese waren zu staatlichen Leistungen verpflichtet worden und sollten deshalb zum praeses der Thebais gesandt werden. An einer weiteren Stelle desselben Papyrus werden die Nyktostrategen – gemeinsam mit den Systatai – im Zusammenhang mit der Suche nach «passaliotischen» Personen erwähnt (192-201).
Wer diese Personen waren und warum sie gesucht wurden, konnte bisher nicht geklärt werden6. Bei P.Oxy. VII 1033 (Oxyrhynchos, 392) handelt es sich um eine Beschwerde, mit der sich die Nyktostrategen an ihre Vorgesetzten, die riparii, wandten, um sich über den Mangel an Hilfspersonal zu beklagen. Im weiteren Verlauf zählen sie einige ihrer Dienstpflichten auf, darunter die Gestellung verschiedener gesuchter Personen (8 und 17-18). In BGU XIX 2773 (Hermupolis, Ende 5. Jh.) werden die Nyktostrategen angewiesen, mehrere Personen – wohl mutmaβliche Straftäter – zu gestellen und einem eigens dafür abgesandten Justizbeamten (applicitarius) zu übergeben.
Die Personen, von deren Fahndung bzw. Gestellung die vier genannten Dokumente berichten, lassen sich in zwei Kategorien unterteilen. Zunächst sind jene Personen – aus P.Oxy. L 3571, P.Panop. Beatty 1, 213-216 und 342-346 – zu nennen, die zu staatlichen Leistungen verpflichtet worden waren (Schmied, Handwerker, Minenarbeiter). An deren Gestellung hatte der Staat in erster Linie ein wirtschaftliches Interesse bzw. im Falle der Handwerker wohl auch ein militärisches, da diese im Bereich der Rüstungsindustrie eingesetzt werden sollten.
Eine andere Gruppe stellen jene Personen dar, wie sie in BGU XIX 2773 begegnen. Diese waren eines Verbrechens beschuldigt worden. Was sie sich im Detail zu schulden kommen hatten lassen, verrät das Dokument nicht. Dem Auftrag zu deren Gestellung lagen jedenfalls ordnungspolitische Überlegungen zugrunde, war es doch im Interesse der öffentlichen Sicherheit, dass Personen, die ein Verbrechen begangen hatten, zur Rechenschaft gezogen wurden und dass das Gemeinwesen dadurch nicht weiter gestört oder gefährdet werden konnte. Dazu passt hervorragend, dass die Nyktostrategen in P.Oxy. VII 1033, 5 erwähnen, dass sie die Obsorge für die öffentliche Ruhe übernommen haben (τῶν εἰρηνικῶν τὴν φροντίδα ἀναδεδόμενοι)7. Auch Jordens kam bei ihren Untersuchungen zu dem Schluss, dass für die Suche nach Liturgen und Straftätern ein und dasselbe aufwendige administrative Verfahren zur Anwendung kam. Die Flucht dieser beiden Personengruppen «betraf (…) die Interessen des Staates unmittelbar»8.
Im Gegensatz dazu schädigte die Flucht von Sklaven in erster Linie deren Eigentümer. Dennoch dürfte sich der Staat spâtestens ab dem 2. Jh. in beschränktem Ausmaβ auch an der Suche nach entlaufenen Sklaven beteiligt haben, wobei sich die administrativen Abläufe nicht unwesentlich von jenen unterschieden haben dürften, die nach der Flucht von Liturgen und Straftätern in Gang gesetzt wurden9.
Innerhalb der Evidenz zu den Nyktostrategen könnte ein erst vor kurzem veröffentlichtes Dokument diesbezüglich von Relevanz sein10. Es handelt sich dabei um einen knappen Brief, in dem von einer erfolgreich verlaufenen Suche nach einem flüchtigen Sklaven die Rede ist. Absender und Adressat des Briefes stammen beide aus dem unmittelbaren Umfeld des Aurelius Kyros. Dieser hatte Ende des 4. Jh. nachweislich mehrere Jahre das Amt des Nyktostrategen von Hermupolis innegehabt und ist in bisher 33 bekannten Papyri nachgewiesen11. Aufgrund prosopographischer Details zogen die Herausgeber des Briefes die Möglichkeit in Betracht, dass es sich bei der Person, welche den Sklaven aufgriff, um einen Hilfsbeamten des Nyktostrategen Aurelius Kyros gehandelt hat12. Die Suche könnte damit unter dessen Leitung stattgefunden haben. Diese Annahme scheint durchaus plausibel zu sein, die Informationen, die sich aus dem Dokument ableiten lassen, sind jedoch zu vage, um gesicherte Schlüsse zu erlauben. In der Petition P.Oxy. Hels. 26 (Oxyrhynchos, 296) an zwei Nyktostrategen klagt die Verfasserin darüber, dass der Sklave, welchen sie gemeinsam mit ihrer Schwester geerbt hatte, den beiden plötzlich seinen Dienst verweigere. Dass dieser flüchtig sei – wie sich aus A.L. Connollys Neulesung von Z. 12 ergäbe – scheint kaum denkbar, da in diesem Fall die Bitte, den Sklaven zu suchen, im Vordergrund der Petition gestanden wäre13. Der Petentin dürfte jedoch eher daran gelegen sein, amtliche Hilfeleistung zur Durchsetzung ihrer Eigentumsrechte zu erwirken. Folglich gibt P.Oxy. Hels. 26 keinerlei Aufschluss über die Rolle der Nyktostrategen bei der Suche nach entlaufenen Sklaven.
Aus dem Befund geht hervor, dass die Nyktostrategen als Exekutivorgane in erster Linie an Fahndungen beteiligt waren, an denen der Staat aus wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Gründen ein Interesse hatte. Als solche waren sie in ein hierarchisch gegliedertes administratives System eingebunden, dessen Funktionsweise, Befehlsketten und Instanzenwege sich anhand der überlieferten Urkunden zumindest ansatzweise rekonstruieren lassen. Die beiden früheren Dokumente, welche in das Ende des 3. Jh. zu datieren sind, weisen auf einen ähnlichen Instanzenweg hin. In beiden Fällen erhielt der Stratege vom praeses bzw. praefectus den Auftrag, Personen innerhalb seines Gaues suchen und gestellen zu lassen14. Die Nyktostrategen wurden daraufhin vom Strategen angewiesen, die Suche innerhalb des Stadtgebietes durchzuführen. Es ist nicht auszuschlieβen, dass eine ähnliche Anordnung gleichzeitig auch an die entsprechenden Dorfbehörden gerichtet wurde, um den gesamten Gau abzudecken15.
In P.Oxy. VII 1033, 7-9 halten die beiden Nyktostrategen fest, dass sie ständig zur Gestellung verschiedener Personen gezwungen werden, und zwar κατὰ πρόεταγμα τῶν κυρίων μου τῶν μειζόνων ἡμῶν ἀρχόντων. Doch wer sind diese μείζονεc ἄρχοντεc? Ἄρχων ist eine gebräuchliche Bezeichnung für den praeses, und dass dieser hier genannt wird, würde gut zum Bild passen, das sich aus den beiden Dokumenten des 3. Jh. ergibt, wo ebenfalls jeweils der Statthalter die Anordnung zu Fahndung und Gestellung erteilt hat. Wilcken äuβerte in Bezug auf die betreffende Stelle jedoch die Vermutung, dass wegen des Plurals kaum der praeses gemeint sein könne und die Bezeichnung deshalb nur im Sinne von «Vorgesetzte» aufzufassen sei16.
Folgt man dieser Ansicht, so würde das bedeuten, dass die Nyktostrategen von unterschiedlichen Instanzen Aufträge zur Gestellung von Personen erhalten hätten. Unklar bleibt freilich, ob diese dann sowohl den Absendern – den Nyktostrategen – als auch den Adressaten – den riparii – übergeordnet waren oder hierarchisch dazwischen einzuordnen sind. Die Formulierung erweckt den Eindruck, als handle es sich dabei in jedem Fall um leitende Amtsträger, und es stellt sich nicht zuletzt deshalb die Frage, ob es nicht doch denkbar wäre, hinter μείζονεc ἄρχοντεc die entscheidende Instanz auf Provinzebene, hier in der Gesamtheit der praesides angesprochen, zu vermuten. Möglicherweise wird auch auf nacheinander amtierende praesides Bezug genommen. Auf diese Weise lieβe sich der Plural erklären. Als weiteres Argument lieβe sich anführen, dass das Wort πρόcταγμα häufig gebraucht wurde, um Anordnungen des Statthalters zu bezeichnen.
Ein derartiger Instanzenweg entspricht weitgehend dem von Jördens beschriebenen Verfahren: Nach Bekanntwerden der Flucht eines Liturgen bzw. Straftäters leiteten zunächst die zuständigen Gaubehörden die Suchaktion innerhalb ihres Kompetenzbereiches ein. Blieb diese erfolglos, wandte man sich an den Statthalter und bat diesen, die betreffenden Personen landesweit zur Fahndung auszuschreiben. Im Fall, dass der Statthalter ein derartiges Vorgehen für angemessen hielt, erlieβ er eine Anordnung, auf deren Grundlage die Gaubehörden ihre Kollegen um deren Mithilfe ersuchten. Nicht völlig auszuschlieβen ist, dass der praeses bzw. praefectus selbst die Anordnung landesweit verlautbaren lieβ17. Vor diesem Hintergrund scheint es nahe liegend, dass die Bezeichnung πρόcταγμα τῶν κυρίων μου τῶν μειζόνων ἡμῶν ἀρχόντων eben auf eine solche Anordnung Bezug nimmt. Welche Zwischeninstanzen eine derartige Anordnung nach dem Verschwinden des Strategenamtes durchlief, kann aus dem Urkundenbefund nicht mit Sicherheit erschlossen werden. Als Zwischeninstanzen kommen – auf Gauebene – in erster Linie exactor und riparii in Frage18.
Auch BGU XIX 2773 erweist sich in Bezug auf die Rekonstruktion des Instanzenwegs als nicht unproblematisch, da dort der Zeilenbeginn mit der Angabe des Absenders verloren ist und sich deshalb nicht mit Sicherheit sagen lässt, von wem die Nyktostrategen hier den Auftrag zur Gestellung erhalten haben. Der Herausgeber ergänzt diesen – ohne näher darauf einzugehen – mit πολιτικὴ τάξιc Diese ist in den Papyri bisher nur relativ selten belegt19. Dementsprechend schwierig ist es, sie ins Verwaltungssystem einzuordnen. Zumeist wird dahinter ein stâdtisches Verwaltungsgremium vermutet20. Nach Harold Bell konnte der Begriff auch eine Einrichtung auf Provinzebene bezeichnen21. Dass die zu gestellenden Personen einem Justizbeamten übergeben werden sollten, der eigens dafür abgesandt worden war, scheint jedenfalls dafür zu sprechen, dass der Befehl nicht aus dem unmittelbaren Umfeld der stâdtischen Verwaltung kam. Neben Bells Interpretation von πολιτικὴ τάξιc könnte man diesem Umstand auch durch eine Ergänzung der betreffenden Stelle mit [παρὰ τῆς ἡγεμον]ι̣κῆc τάξεωc gerecht werden. Falls tatsächlich die Stadtverwaltung von Hermupolis das Schreiben ausgesandt hätte, wäre auβerdem eher eine Formulierung wie «von der Stadtverwaltung von Hermupolis an die Nyktostrategen» zu erwarten. Im Übrigen weist das Schriftstück gewisse Parallelen zu dem Vorführbefehl SB XIV 11975 (Hermopolites, 325) auf, welcher ebenfalls dem Umfeld des Statthalterbüros entstammt.
Allen besprochenen Dokumenten ist in Bezug auf den Instanzenweg in jedem Fall eines gemeinsam: Die Nyktostrategen hatten stets auf Fahndungs- und Gestellungsaufträge übergeordneter Instanzen zu reagieren. Dass dies im Fall einer Gestellung von Personen zutraf, die zu staatlichen Leistungen verpflichtet worden waren, erscheint naheliegend. Bei mutmaβlichen Straftätern hingegen, an deren Gestellung neben dem Staat wohl auch der Geschädigte ein Interesse hatte, gab es jedoch mehrere Möglichkeiten, an wen dieser sich wenden konnte. Adam Łukaszewicz hat bei seiner Untersuchung zur Anazetesis bei Diebstahlsdelikten die Beobachtung gemacht, dass sich die Geschädigten mit ihren Petitionen häufig an die Gaubehörden gewandt haben22. Es ist davon auszugehen, dass diese hohen Beamten die Suche nicht selbst durchführten, sondern den Auftrag delegierten. Obwohl eine derartige Vorgehensweise innerhalb der Evidenz zu den Nyktostrategen bislang nicht dokumentiert ist – mit BGU XIX 2773 ist zwar ein Vorführbefehl an Nyktostrategen überliefert, doch die dort genannten Personen waren im Zuge einer Gerichtsverhandlung und nicht durch eine Petition belastet worden – muss dieser Umstand keineswegs bedeuten, dass es sie nicht gegeben hat.
Für Privatpersonen dürfte sich daneben auch die Möglichkeit geboten haben, sich direkt an die Nyktostrategen zu wenden. Aus zwei, vielleicht sogar drei Petitionen ist bekannt, dass diese mitunter auch gebeten wurden, mutmaβliche Verbrecher bereits im Vorfeld von Gerichtsverhandlungen in Gewahrsam zu nehmen, um einer Flucht vorzubeugen23. Damit wurde eine spätere Anweisung zur Suche und Gestellung hinfällig.
Aus mehreren Dokumenten geht hervor, dass die Nyktostrategen für die Erledigung ihrer Aufgaben Hilfspersonal zur Verfügung hatten24. Wie die verwaltungsinterne Kommunikation mit diesem Hilfspersonal vor sich gegangen ist bzw. in welchem Ausmaβ die Nyktostrategen persönlich an Suche und Gestellung vor Ort beteiligt waren und die Vorgânge überwacht haben, lässt sich anhand der bisherigen Dokumentation nicht sagen. Dieser Umstand könnte neben allfälligen Überlieferungszufällen möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass die Kommunikation mit dem Hilfspersonal vor allem durch mündliche Absprache und nicht mittels schriftlicher Korrespondenz erfolgte.
In wie vielen Fällen Fahndung und Gestellung erfolgreich verliefen, geht aus dem Befund nicht eindeutig hervor. Das einzige Dokument, das über den Ausgang einer Suche berichtet, ist P.Oxy. L 3571, wo die flüchtigen Minenarbeiter nicht gefunden werden konnten25. Das deckt sich im Übrigen mit der allgemeinen Beobachtung, dass es mehrere negative Rückmeldungen gibt und kaum jemals davon die Rede ist, dass Personen tatsächlich gefunden wurden. Diese Rückmeldungen, die vor allem auf dörfliche Funktionäre zurückgehen, wurden meist durch einen Eid bekräftigt, was in unserem Zeugnis nicht der Fall ist26. Der Grund für die groβe Zahl negativer Meldungen dürfte darin liegen, dass Fahndungslisten flächendeckend und auch auβerhalb der Heimatgaue der flüchtigen Personen verteilt wurden. Jördens ging zuletzt sogar von landesweiten Suchaktionen aus27. Eine derartige Vorgehensweise erklärt, warum die meisten Anfragen zwangsläufig negativ beantwortet werden mussten. Dennoch lässt dieser Umstand nicht den Schluss zu, dass Fahndungen im Allgemeinen in einem Groβteil der Fälle ergebnislos verliefen.
In P.Panop. Beatty 1, 216 und 345 werden die Nyktostrategen explizit darauf hingewiesen, dass sie sich selbst einem gewissen Risiko aussetzen, wenn sie den Befehl vernachlässigen sollten. Was das im Konkreten heiβt, bleibt unklar, doch scheint diese Bestimmung vor allem darauf abzuzielen, den Adressaten nahe zu legen, dass sie die Suche gewissenhaft ausführen. Es geht aus der Formulierung nicht zwangsläufig hervor, dass diese – bei korrekter Durchführung – für den Ausgang der Suche haftbar gemacht werden konnten28.
Literaturverzeichnis
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1 Dieser Aufsatz entstand im Rahmen des Teilprojekts «Police Authorities in Late Antique Egypt» des vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich (FWF) finanzierten und an der Universität Wien angesiedelten nationalen Forschungsnetzwerks (NFN) «Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom».
2 Jördens (2010).
3 Zu den Nyktostrategen allgemein, vgl. P.David 17, S. 129-132; Thomas (1969); Hennig (2002); darüber hinaus die von Fritz Mitthof in CPR XXIII 33, S. 208 angeführte Literatur.
4 P.Fam. Tebt. 41 (Antinoupolis, 176); P.Sorb. II 69 (Hermupolis, 618/619 [? ]).
5 Vgl. P.Oxy. Hels. 26, 4 (Oxyrhynchos, 296); BGU XIX 2770, 4-5 (Hermupolis, 376); P.Lips. I 65, 4-5 (Hermupolis, 390); P.Strasb. VIII 713, 2 (Hermupolis, 397); P.Herm. 52, 2 sowie das Duplikat P.Herm. 53, 3 (Hermupolis, 398); P.Lips. I 56, 4 (Hermupolis, 398).
6 Das Adjektiv παccαλιωτικόc könnte möglicherweise von einem Toponym abgeleitet sein, ist aber – mit Ausnahme jener drei Belege im vorliegenden Zeugnis – anderweitig nicht nachgewiesen. Die Hintergründe der Fahndung nach diesen Personen bleiben unklar. Es ist zu vermuten, dass sie vom magister rei privatae angeordnet worden war, es dürfte sich jedoch in mehrerlei Hinsicht um eine Ausnahmesituation gehandelt haben. Vgl. P.Panop. Beatty 1, Komm. Z. 149 und 155.
7 Vgl. BL VI 100.
8 Vgl. Jördens (2010) 349.
9 Vgl. Llewellyn (1997) 245-246; Jördens (2010) 348-349.
10 Vgl. Scholl/Homann (2009).
11 Einen Überblick über die publizierten und unpublizierten Texte des Archivs bietet <http://papyri-leipzig.dl.uni-leipzig.de/content/main/archiv_aurelios_kyros.xml>.
12 Vgl. Scholl/Homann (2009) 466.
13 Vgl. BL IX 205.
14 S. P.Oxy. L 3571; P.Panop. Beatty 1, 213-216 und 342-346.
15 Adams (2010) 4 schlieβt nicht aus, dass die Sammelurkunde P.Panop. Beatty 1 für den betreffenden Zeitraum nicht die vollständige ausgehende Korrespondenz des Strategen enthält.
16 Vgl. W.Chr. 476, Komm. Z. 9.
17 Vgl. Jördens (2010) 346-347.
18 Vgl. zum exactor: SB XIV 11975 (Hermopolites, 325); SB XXIV 16333 (Hermupolis, 340); zu den riparii: P.Oxy. VI 897 (Iseion Zapitu [Oxyrhynchites], 346); P.Oxy. XIX 2229 (Oxyrhynchos, 346-350); P.Amh. II 146 (Hermupolis, 5. Jh.).
19 P.Lips. I 38, i, 18 – ii, 1 (Hermupolis, 390); P.Cair. Masp. I 67019, 3 (Antinoupolis, 548/549); P.Cair. Masp. I 67002, Pag. iii, 7 (Antinoupolis, 567); P.Lond. V 1674, 9-10 (Antinoupolis, ca. 570); P.Oxy. XXIV 2418, 2 (Oxyrhynchites [? ], 5./6. Jh.).
20 Vgl. z. B. BGU XIX 2773, S. 42: «Stadtverwaltung»; P.Lips. I 38, S. 124 «des städtischen Bureaus».
21 Bell in P.Lond. V 1674, Komm. Z. 10. stützte sich dabei vor allem auf eine Beobachtung Masperos in P.Cair. Masp. III 67282, Komm. Z. 6, wonach unter πολιτικὴ βοήθεια zu verstehen sei: «la police placée sous les ordres du praeses et de ses agents, par opposition à la cτρατιωτικὴ βοήθεια, ou force armée, prélevée sur la garnison».
22 Łukaszewicz (1989) 367.
23 P.Strasb. VIII 713 (Hermupolis, 397); P.Strasb. VI 578 (Hermupolis, 505). In P.Lond. V 1651 (Hermupolis, 363) wird der Adressat der Petition zwar als Stratege bezeichnet, doch möglicherweise ist in dieser Urkunde dasselbe passiert, wie in dem in doppelter Ausfertigung vorliegenden BGU XIX 2770 (Hermupolis, 376), wo der Schreiber in einer Version irrtümlich Stratege statt Nyktostratege geschrieben hat. Vgl. BGU XIX 2770, S. 39.
24 Vgl. P.Lips. I 65 und 66 (Hermupolis, 390); P.Lips. I 42 (Hermupolis, 391); P.Oxy. VII 1033 (Oxyrhynchos, 392); CPR XXIII 33 (Hermupolis, 550).
25 Vgl. z.B. P.Oxy. LX 4060 (Oxyrhynchos, 161).
26 Vgl. z. B. P.Oxy. I 80 (Senokomis [Oxyrhynchites], 238-244); P.Oxy. VI 897 (Iseion Zapitu [Oxyrhynchites], 346).
27 Jördens (2010) 348.
28 Vgl. Drecoll (1997) 326-327.