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Die Bedeutung des administrativen Hilfspersonals in der enchorischen Verwaltung des kaiserzeitlichen Ägyptens für die administrative Kontinuität

Thomas KRUSE

Am 12. September 298 n.Chr. schrieb Apolinarios, der amtierende Stratege des oberägyptischen Gaus von Panopolis an den rationalis Aegypti, daß er die von dessen Amt angeforderten Abrechnungen über das Steuergetreide für den Monat Tybi nicht schicken könne, weil der βοηθόc seines Amtsvorgängers die Akten nicht übergeben habe: τῆc | μ[εταδόc]ε̣ωc τῶν βιβλίων μὴ̣ [δ]ο̣θείcηc ὑπὸ τοῦ βοηθοῦ τοῦ προcτρατηγήcαντο[c1. Daraufhin hat der Stratege eine Anhörung im Beisein des besagten βοηθόc anberaumt, die aber offenbar ohne Ergebnis blieb. Er werde, so schließt Apolinarios sein Schreiben, fortfahren, in dieser Sache Druck auf den Assistenten seines Amtsvorgängers auszuüben, damit die Akten übergeben werden. Denn auf ihrer Grundlage sind die monatlichen Abrechnungen zu erstellen.

In einem nur einen Tag später, dem 13. Sept. 298 n.Chr., datierenden Schreiben führt Apolinarios dann seine Entschuldigungsgründe näher aus2: Als er zum Strategen des Panopolites ernannt worden und unverzüglich an seinen Dienstort gereist sei, habe er dort den βοηθόc seines Amtsvorgängers angetroffen, der mit den Akten beschäftigt gewesen sei. Er habe ihn ein paar Tage festgehalten, wegen größerer Differenzbeträge in den Abrechnungen3. Auf das Befragen seitens des Strategen Apolinarios bezüglich der Zusammenstellung der Akten habe jener vorgebracht, daß er die Akten weder habe noch sie ihm von der Person übergeben worden seien, die vor ihm im Büro des Strategen gedient habe4. Da die monatlichen Abrechnungen nicht ohne die Übergabe der Akten erfolgen kann, sei der Stratege gezwungen gewesen, den βοηθόc zu einer schriftlichen Stellungnahme aufzufordern und hat dieselbe Antwort wie zuvor erhalten. Die – wenn auch ungenügende – Aufstellung über die annona habe er hingegen erhalten und eine über Geld, die er nunmehr an den katholikos übermittele. Was den Fehlbestand in den Getreidespeichern betreffe, die er berichtet hat, so hat sich dieser als konfus und inkonsistent mit den Akten erwiesen. Wegen der ἀμελία und der καταφρόνηcιc des besagten βοηθόc habe der Stratege die Übermittlung der Aufstellungen über das Getreide daher verschoben. Zu seiner Entlastung fügt er Kopien der Aufzeichnungen über die von ihm in der Angelegenheit unternommenen Schritte bei5.

Geholfen hat dies dem Strategen Apolinarios offenbar nicht viel, denn eineinhalb Jahre später, am 8. Febr. 300 n.Chr., wird er vom procurator der unteren Thebais Aurelius Isidoros erneut ermahnt, daß er die Abrechnungen noch immer nicht übermittelt habe. Daher hat er die hierfür festgesetzte Geldstrafe zu bezahlen. Ferner soll er dieselbe Summe von dem βoηθόc seines Amtes erheben und die Gelder dem Fiskus überweisen. Außerdem solle er unverzüglich die monatlichen Abrechnungen schicken, damit die gesamte öffentliche Rechnungslegung nicht länger durch seine Nachlässigkeit aufgehalten werde6. Seinem Schreiben hat der procurator die Kopie eines Berichtes eines tabularius beigefügt; aus diesem geht hervor, daß die Frist für die Einsendung der Abrechnungen lange verstrichen sei, die anderen Strategen diese geschickt haben, jedoch Apolinarios, der Stratege des Panopolites sowie ein weiterer Stratege namens Demetrius, die Abrechnungen für Tybi noch nicht übermittelt haben. Deswegen sieht er sich gezwungen dem procurator darüber zu berichten, da dieser ja selbst befohlen habe, daß die Abrechnungen ohne Verzögerung zu übermitteln seien, damit die Auszüge davon, welche der tabularius monatlich an den katholikos zu schicken hat, nicht verzögert werden. Deshalb ersucht er darum, daß die besagten Strategen die vom procurator angeordnete Strafe bezahlen, zusammen mit ihren βοηθοί7.

Die oben zitierten Schriftstücke aus den P.Panop.Beatty illustrieren einerseits sehr eindrücklich die Schwierigkeiten, in die einen Amtschef die Unzuverlässigkeit des Personals seines Büros bringen konnte. Andererseits bezeugen sie aber auch – wenngleich in diesem Fall natürlich nur ex negativo – die herausragende Rolle des administrativen Hilfspersonals für die Kontinuität des Verwaltungshandelns, insbesondere in dem kritischen Moment des Wechsels in der Amtsspitze, in welchem es ganz offensichtlich für die ordnungsgemäße Übergabe der Amtsakten an dessen Nachfolger verantwortlich war.

Grundsätzlich ist diese Bedeutung des administrativen Hilfspersonals, wenn auch mehr unter dem Aspekt seiner Ausbildung, bereits von Friedrich Oertel betont worden, der ihm in seinem 1917 erschienenen Werk über die Liturgie einen kurzen Abschnitt gewidmet hat, in welchem er einleitend die Rolle des administrativen Hilfspersonals wie folgt charakterisiert: «Denn im Gegensatze zu den ab und zu herangezogenen liturgischen Gelegenheitsbeamten und auch im Gegensatze zu den “Ehrenbeamten” muß irgendwo in diesem fluktuierenden Beamtenapparat ein fester Punkt, eine schulgemäß zünftige Tradition gewesen sein, die doch in den Urkunden so augenfällig hervortritt.»8

In der Tat dürfte die über lange Zeiträume zu beobachtende beeindruckende Konstanz in der Qualität und formalen Ausgestaltung der unzähligen Dokumente, welche die diversen administrativen Instanzen des Landes über die Jahrhunderte hinweg produziert haben und die selbst dem mit der papyrologischen Überlieferung nicht Vertrauten auffällt, nahelegen, daß das Büropersonal seine Tätigkeit als einen lebenslangen Beruf und in der Regel auf einem hohen Ausbildungsniveau ausgeübt hat. So erfahren wir etwa aus P.Fay. 23(a) aus dem 2. Jh. n.Chr. über einen 45-jährigen Mann namens Philadelphos aus dem Arsinoites, daß er in verschiedenen Gauen als γραμματεύc für das Büro des Idios Logos tätig war, sodann als εἰcαγωγεύc im Bürostab des Strategen der Ammonsoase diente, dann eine bislang nicht genauer zu klärende Funktion in Zusammenhang mit der Inspektion von Land in den Deltagauen Kabasites und Metelites ausübte und schließlich als γραμματεύε des Königlichen Schreibers des Libyschen Gaus gearbeitet hat9.

In welch hohem Maße die alltägliche Routinearbeit in den Verwaltungsbüros auf den Schultern dieses administrativen Hilfspersonals lastete, erweist sich etwa auch darin, daß die administrative Kontinuität selbst dann gewährleistet war, wenn der Amtschef nachweislich des Schreibens unkundig war, wie etwa im Falle des Petaus, unter der Regierung des Kaisers Commodus κωμογραμματεύc von Ptolemais Hormou im Arsinoites, der als le scribe qui ne savait pas écrire eine nicht unbeträchtliche Berühmtheit innerwie außerhalb der papyrologischen scientific community erlangt hat10.

Für die qualitative Bewertung der durch das administrative Hilfspersonal gewährleisteten Kontinuität sind nun wieder die oben zitierten Schreiben aus den beiden P.Panop. Beatty recht aufschlußreich. Zunächst einmal fällt auf, daß der namenlose βοηθόc, aufgrund von dessen Versäumnissen, wie der von seinen Vorgesetzten diesbezüglich ermahnte Stratege Apolinarios geltend macht, die ausstehenden Getreideabrechnungen noch immer nicht eingereicht worden sind, von dem Strategen als der Gehilfe meines Amtsvorgängersβοηθὸc τοῦ προcτρατηγήcαντοcbezeichnet wird nicht etwa als «der Gehilfe der Strategie» (βοηθὸc τῆc cτρατηγίαc). Läßt allein dies schon vermuten, daß der besagte βοηθόc nicht mehr im aktiven Dienst ist, so erhalten wir dafür eine weitere Bestätigung, wenn der Stratege Apolinarios in seinem Schreiben an den rationalis Aegypti berichtet, daß er, als er nach seiner Ernennung zum Strategen an seinen Dienstort im Panopolites gereist und dort den besagten βοηθόc seines Amtsvorgängers mit den Akten beschäftigt vorgefunden habe, diesen wegen der Inkonsistenzen in den Abrechnungen einige Tage festgehalten habe (τ]οῦτον πρὸc ὀλίγαc ἡμέραc κατέcχον). Warum hätte der dienstvorgesetzte Stratege einen Gehilfen seines Amtes aber eigens festhalten müssen Es sei denn dieser ist eben nicht mehr im Dienst, sondern zusammen mit dem Amtsvorgänger in der Strategie ausgeschieden Hierfür spricht im übrigen auch die Tatsache, daß der besagte βοηθόc sich angesichts der Vorhaltungen des Apolinarios seinerseits mit der Entschuldigung herauszureden versucht, daß er die Akten weder habe noch sie ihm von der Person übergeben worden seien, die vor ihm im Büro des Strategen gedient habe προεβάλετο μήτε βιβλία ἔχειν μήτε ε̣ἰ̣[ληφέναι μηδεπώποτε] π̣α<ρὰ> τοῦ πρὸ αὐτοῦ | ὑπηρε[τ]ήcαντοc τὴν cτρατηγίαν11. Dies impliziert doch wohl, daß er selbst nicht mehr ὑπηρετοῦν τὴν cτρατηγίαν ist.

Von welcher Wichtigkeit es für einen neuberufenen Gaustrategen offenbar war, des Assistenten seines Amtsvorgängers irgendwie habhaft zu werden, illustriert auch das Fragment eines amtlichen Schreibens eines unbekannten Absenders aus dem Jahr 218 (PSI XIII 1361) an einen neu in das Amt berufenen Strategen, in welchem er diesen auffordert, daß du den Gehilfen deines Amtsvorgängers im Gau festhältst, bis dir dieser die Amtsakten vollständig übergibtτὸν βοηθ[ὸν] τοῦ πρὸ̣ [cο]ῦ̣ cτρατη[γοῦ] | [καθ]έξειc ἐν τ̣ῷ̣ νομῷ μέχριc ἂν ἐντελῆ сoι τὰ | [τῆ]c̣ τάξεωс παραδῶcι βιβλία12.

Auch hier ist also der Gehilfe augenscheinlich nicht mehr im Dienst, sondern zusammen mit seinem ehemaligen vorgesetzten Strategen ausgeschieden. Gleichwohl blieb er aber, gemäß den üblichen, auch in anderen administrativen Ressorts zu beobachtenden Gepflogenheiten der römischen Verwaltung Ägyptens, ebenso wie sein damaliger Chef, auch über das Ausscheiden aus dem Amt hinaus für die unter seine Verantwortung fallenden Amtsvorgänge zuständig und haftbar. So eben auch für die ordnungsgemäße Übergabe der Akten an den Amtsnachfolger in der Strategie. Wobei sich die Haftung für die Folgen einer versäumten Aktenübergabe allerdings fatalerweise auch auf diesen selbst ausdehnt, denn wie wir oben gesehen haben, wird der Stratege Apolinarios für die unterbliebene Einreichung der fraglichen Abrechnungen seines Ressorts mit einer Geldbuße belegt, unbeschadet der Tatsache, daß die Einreichung der betreffenden Akten wegen des Versäumnisses des Gehilfen seines Amtsvorgängers bei der Übergabe der Amtsakten nicht erfolgen konnte13. Möglicherweise hat Apolinarios indes auch den Fehler gemacht, den βοηθόσ seines Amtsvorgängers nur einige TageP.Panop.Beatty 1, 92 πρὸc ὀλίγαc ἡμέραcwie er selbst sagt, festzuhalten und nicht bis zu vollständigen Übergabe der Akten wie es seinem Kollegen in PSI XIII 1361 angeraten wird.

Ein ähnliches Bild wie aus den bisher behandelten Zeugnissen ergibt sich auch aus der Betrachtung von SB V 7741, einem aus den Jahren 126-133 oder 164-167 n.Chr. datierenden Schreiben des praefectus Aegypti Flavius Titianus an den Strategen des Herakleopolites Chairemon14 Φλάουιοc Τιτιανὸc Χαιρήμονι cτρ(ατηγῷ) Ἡρα|κλεοπολ(ίτου) χ(αί)ρ(ειν). | ἀ[ντ]ίγραφον ἐπιcτολῆc Ἡρακλείδου τοῦ πρὸ cοῦ ὑπο|ταγ[ῆ]ναι ἐκέλευcα βουλόμενόc cε, ὧν μὲν ἤδη | παρέλαβον οἱ βοηθοί cου βιβλίων, τὰc cυνήθειc | ἀποχὰc εὐθὺc ἀποδοῦναι· τοῦτο γὰρ καὶ πρότερον | ἐχρῆν γεγονέναι · τὰ δὲ λοιπὰ βιβλία παρὰ τῶν | ὀφειλόντων δοῦναι πράccεcθαι ὁμοίωc καὶ | τὰc παρὰ τοῖc διακριταῖc ἐχθέcειc (l. ἐκθέcειc). εἰ γάρ τινα | [ἐν α]ὐτοῖc ζη[τ]ήcεωc δεῖcθαι νομίζειc, δυνή|cε[ι] π[ερ]ὶ τούτων ἐπιcτ[εῖ]λαι τοῖc τοῦ Ἡρακλεί|[δου βο]ηθοῖc. ἴcθι μὲν γὰ[ρ τ]ὴν βραδύτητα | [ . . . . . ο]ὐ μικρὰν βλάβην [τ]ῷ ταμείῳ (l. ταμιείῳ) φέ|[ρειν (…)].

Auch in ihm geht es um die Übergabe der Amtsakten zum Zeitpunkt des Amtswechsels in der Strategie. Der Statthalter reagiert offenbar auf ein ihm zugegangenes Schreiben des Amtsvorgängers des Strategen, dessen Abschrift ursprünglich unserem Text angefügt gewesen sein muß, jedoch infolge des Abbruches des Textes in Z. 14 leider nicht mehr erhalten ist. Der amtierende Stratege Chairemon wird vom Präfekten aufgefordert, für diejenigen Akten seines Amtsvorgängers, die seine βοηθοί bereits übernommen haben, unverzüglich die erforderlichen Quittungen einzureichen, mit denen offenbar die ordnungsgemäße Übergabe der Amtsakten an den Amtsnachfolger bescheinigt zu werden hatte. Die Einreichung der besagten Quittungen war indes bereits überfällig. Es folgt ein Satz, den man nicht leicht versteht und der besagt, daß die übrigen Amtsakten von den dafür Zuständigen übergeben werden sollen und dabei ebenso verfahren werden soll, wie im Falle der Rückstände bei den διακριταί15. Für unseren Zusammenhang interessanter ist indes der nächste Satz, wonach der Stratege, falls er der Meinung sei, daß in den besagten Akten irgendetwas der Untersuchung bedürfe (εἰ γάρ τινα [ἐν α]ὐτοῖc ζη[τ]ήcεωc δεῖcθαι νομίζειc), dann könne er den Gehilfen des Herakleides, also seines Amtsvorgängers, in dieser Sache schreiben (δυνήcε[ι] π[ερ]ὶ τούτων ἐπιcτ[εῖ]λαι τοῖc τοῦ Ἡρακλεί[δου βο]ηθοῖc). Auch hier wird also erneut deutlich, daß die βοηθοί des Amtsvorgängers des gegenwärtig amtierenden Strategen augenscheinlich nicht mehr der Strategie angehörensonst würde man sie nicht als τοῦ Ἡρακλείδου βοηθοί bezeichnen–, sondern mit jenem zusammen aus dem Dienst geschieden sind. Allerdings sind sie ihm, was die Fragen der Amtshaftung betrifft, nach wie vor zugeordnet und damit verantwortlich für die von ihnen seinerzeit erstellten Akten.

Läßt man die oben geschilderten Zeugnisse Revue passieren, dann gewinnt man den Eindruck, als sei die durch das administrative Hilfspersonal gewährleistete Kontinuität eher eine qualitative (d.h. auf einem hohen Ausbildungstand des Büro- bzw. Schreiberpersonals beruhende) gewesen, denn eine personelle, d.h. eine Kontinuität, die dadurch gewährleistet war, daß ein und dieselben Personen über einen längeren Zeitraum hinweg in demselben Büro tätig waren, also etwa in der Strategie eines bestimmten Gaus. Letzteres ist indes auf der Ebene der liturgischen Ämter durchaus nachzuweisen. So läßt sich etwa den Akten des jahrzehntelangen Rechtsstreites zwischen dem im Gauarchiv des Arsinoites tätigen γραμματεύc Leonides bzw. dessen Erben und seinen Chefs, den βιβλιοφύλακεc τῶν δημοcίων λόγων, bzw. wiederum deren Erben, entnehmen, daß besagter γραμματεύc Leonides zwischen vor 71/72 und 114/115 n.Chr. für mindestens fünf verschiedene Paare von βιβλιοφύλακεc tätig war16. Hier hat es mithin den Anschein, als ob der Fluktuation in der Amtsspitze infolge der im Abstand von einigen Jahren, seit dem Beginn des 2. Jh. n.Chr. im Abstand von nur drei Jahren aufeinanderfolgenden liturgischen Amtschefs eine personelle Kontinuität auf der Ebene des Büropersonals korrespondierte.

Für die Ebene der leitenden Gaubeamten stellt sich das Bild aber, wie hier zu zeigen versucht wurde, etwas anders dar. Denn hier gibt es deutliche Indizien, daß der Bürostab zusammen mit dem Amtschef den Dienst quittiert hat. Sehr wahrscheinlich haben solche βοηθοί und γραμματεῖc ihren Dienst auch mehr oder weniger gemeinsam mit ihrem Chef angetreten, denn hierfür spricht die Tatsache, daß derartiges subalternes Büropersonal von seinen Dienstherren mittels eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages angestellt worden ist. Solche Verträge existieren etwa für einen γραμματεύc eines Königlichen Schreibers des Kleinen Diopolites, oder für Schreiber im Dienst der γραμματεῖc μητροπόλεωc von Ptolemais Euergetis17.

Möglicherweise haben also die Gaubeamten – Stratege und Königlicher Schreiber – mit dem Zeitpunkt ihres Dienstantritts, ihren engeren, leitenden Bürostab selbst immer wieder neu zusammengestellt, bzw. aus ihnen vertrauten und/oder als kompetent bekannten Personen rekrutiert, ähnlich wie ja auch heutzutage noch, mit jedem neugewählten amerikanischen Präsidenten ein kompletter neuer Stab den West Wing des Weißen Hauses bezieht. Friedrich Oertel hatte die Auffassung vertreten, daß das Hilfspersonal (...) im allgemeinen Amtspersonal [ist], d.h. es ist dem Amte als solchem zugeteilt und steht nicht im Privatdienste des Chefs. Mir scheint sich demgegenüber aus den besprochenen Zeugnissen zu ergeben, daß die dienstrechtliche Beziehung weitaus mehr eine individuell persönliche zwischen der Person des jeweiligen Amtschefs und dem einzelnen βοηθόc, γραμματεύc usw. war, als eine gleichsam abstrakte zwischen dem Angestellten und dem Amt (Strategie, Basilikogrammatie usw.). Dies entspricht wohl auch viel eher dem in der Vormoderne, die das Prinzip der abstrakten Staatshaftung nicht kannte, allgemein geltenden Prinzip der persönlichen Amtshaftung des jeweiligen Amtsträgers mit seinem Vermögen, und zwar auch für Handlungen seiner Untergebenen. Amtschef und Büropersonal haften also gleichermaßen und, wie wir anhand der Zeugnisse in den P.Panop.Beatty gesehen haben, auch zu gleichen Teilen. Haben doch sowohl der Gaustratege als auch der βοηθόc eine Strafsumme in gleicher Höhe für die versäumte Einreichung der Abrechnungen zu zahlen.

Natürlich muß dies nicht notwendigerweise bedeuten, daß jeder neuberufene Amtschef jeweils das ganze Heer von subalternen Bürokräften bis hinab zur kleinsten Charge jeweils komplett neu zusammengestellt hat. Die erwähnten Prinzipien mögen vielleicht nur für die Ebene der Chefsekretäre bzw. die herausgehobenen Angehörigen der Bürostäbe gegolten haben und bewährte Kräfte des Amtsvorgängers übernommen worden sein. Sofern, diese das denn wollten. Ausschlaggebend dürfte in dem einen wie dem anderen Fall das Vertrauensverhältnis zwischen dem Amtschef und seinen Angestellten gewesen sein. Deutlich wird dies etwa auch aus den oben erwähnten Akten des Rechtsstreits zwischen den βιβλιοφύλακεc des Gauarchivs des Arsinoites und ihrem γραμματεύc, wo der Richter die Haftung der βιβλιοφύλακεc für die Handlungen ihres γραμματεύc u.a. auch mit dem Vertrauen (πίcτιc), begründet, welches die Chefs in ihren Sekretär gesetzt haben18.

Im Falle der leitenden Gaubeamten war vielleicht auch im Falle einer Übernahme von Personal des Amtsvorgängers ein neuer Vertrag mit dem neuen Amtschef vonnöten. Jedoch wissen wir indes einstweilen viel zu wenig über die interne Hierarchie der Bürostäbe der enchorischen Beamten in der Kaiserzeit. Eine solche hat es zweifellos gegeben, aber wir können derzeit etwa gar nicht einmal sicher sagen, was eigentlich den Unterschied zwischen einem βοηθόc und einem γραμματεύc im Bürostab konstituiert hat, wenn er denn existiert hat. Denn beide tun mitunter durchaus dasselbe, wenn sie etwa Registrier- bzw. Einreichungsvermerke auf Deklarationen anbringen oder Unterschriften in Vertretung ihrer Amtschefs leisten19. Außerdem ist wohl auch auf der Ebene der γραμματεῖc selbst mit einer Binnendifferenzierung von Chefsekretären bis hin zu einfachen Schreibern zu rechnen, die indes jeweils nicht leicht zu identifizieren sind, weil sie in unseren Quellen alle unter der Funktionsbezeichnung γραμματεύc firmieren. Auf etwas sichererem Boden stehen wir einstweilen nur mit den ὑπηρέται, deren Domäne, wie Silvia Strassi bereits ausführlich gezeigt hat, insbesondere der Außendienst bzw. die unmittelbare exekutive Sphäre, so etwa die Zustellung von Vorladungen oder Zwangsvollstreckungsurkunden, gewesen zu sein scheint20.

Ansonsten ist hier sicherlich noch sehr viel zu tun, und ich hoffe der Klärung dieser und anderer Fragen in einer größeren Studie zum administrativen Hilfspersonal näher zu kommen, die sich zur Zeit noch in Arbeit befindet. In diesem Beitrag habe ich mich auf den Aspekt der Rolle des Hilfspersonals für die administrative Kontinuität beschränkt. Gleichwohl hoffe ich gezeigt zu haben, daß das Studium des subalternen Büropersonals der Verwaltungsgeschichte des hellenistisch-römischen Ägypten die eine oder andere interessante Facette hinzuzufügen vermag.

Literaturverzeichnis

Bastianini, G (1988), «Il prefetto d’Egitto (30 a.C. – 297 d.C.): Addenda (1973-1985)», ANRW II 10.1 (1988) 503-517.

Kruse, Th. (2002), Der Königliche Schreiber und die Gauverwaltung. Untersuchungen zur Verwaltungsgeschichte Ägyptens in der Zeit von Augustus bis Philippus Arabs (30 v.Chr. – 245 n.Chr.), 2 Bände (APF Beiheft 11, München/Leipzig).

Kruse, Th. (2010), «Korr. Tyche 678», Tyche 25, 220-221.

Oertel, F. (1917), Die Liturgie. Studien zur ptolemäischen und kaiserlichen Verwaltung Ägyptens (Leipzig).

Strassi, S. (1997), Le funzioni degli ὑπηρέται nell’Egitto greco e romano (Schriften der Philosophischhistorischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Band 3, Heidelberg).

Wollentin, U. (1961), Ὁ κίνδυνοc in den Papyri (Diss. Köln).

Youtie, H.C. (1966), « Pétaus, fils de Pétaus, ou le scribe qui ne savait pas écrire », CE 41, 127-143 [= Scriptiunculae II (Amsterdam 1973) 677-693 mit Nachträgen 694-695].

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1 P.Panop.Beatty 1, 64-71 : τὸν δὲ cιτικὸν λόγον οὐκ ἀπέcτ<ε>ιλα διὰ τὸ μ̣[ὴ δε]δυν[ηcθαί με, τῆc] | μ[εταδόc]ε̣ωc τῶν βιβλίων μὴ̣ [δ]ο̣θείcηc̣ ὑπὸ τοῦ βοηθοῦ τοῦ προcτρατηγήcαντο[c, πε]ρ̣ὶ ἧc κ̣|αὶ ὑπομνήματα παρὰ] | τῇ ἐμῇ μετριότητι ἐγένετ[ο] ᾧν ἀντ̣ίγραφον ὑποκολλήcαc τῇ ἡμετέρᾳ μου ἀνα[φ]ορᾷ [γράφω, καὶ διατε]|λῶ ἐνκείμενοc καὶ ἀναγ<κά>ζω̣[ν] π̣αρ’ ἕ̣καcτα τὸν βοηθὸν τῆc τῶν βιβλίων cυ̣c̣τ̣ά̣c̣ε̣ωc [ἕνεκεν, ἐξ ὧν ὁ μη]|νιαῖοc cυνίcταται καὶ αἱ λοιπά[δεc] τῶν ἀννωνῶν φαίνονται.

2 P.Panop.Beatty 1, 90-107.

3 P.Panop.Beatty 1, 90-97 : καταcταθ̣[ε]ί̣c̣, κ̣ύ̣ριέ μου {κύριέ μου} ὑπὸ τοῦ μεγαλείου cτρατη̣γεῖν τὸ[ν Πανοπολίτην, οὐ μ]ελλήcαc τὴν ὁρ|μὴν ἐκεῖ[cε πε]π̣οίημαι. εὑρὼν δὲ τὸν βοηθὸν τοῦ προcτρατ̣η̣γ[ήcαντοc ± 9 ] προcευκαιροῦν|τα τοῖc βιβ̣[λίοιc, τ]οῦτον πρὸc ὀλίγαc ἡμέραc κατέcχον πρὸc τὴν̣ [ ± 14 ]ο̣ν κελευομέ|νων ὑφ[. . . .] τῶν μειζόνων τῶν διαφερόντ̣ων τ̣η̣c̣[± 16 ]α̣ν ἑτέρου εὐπο|ρηθείην· [ἐν] δὲ τῷ μεταξύ, πρὸ ὀλίγων τούτων̣ ἡ̣μ̣ε̣ρ̣[ῶν, ……… ἔτι τοῦ βο]ηθοῦ ἐπιδημή|cαντοc π̣[ρ]ό̣c̣ μ̣ε̣, ἀναγκαίωc τὴν τῶν βιβλίων μετάδοc̣[ιν ± 17 ]έγ̣εcθαι πρόc τὸ | ἐξ αὐτῶ[ν] τὰ εἰωθότα ἀποcτέλλεcθαι μηνιαῖα βιβλία c[υνιcτάναι, ἀλλὰ] καὶ αὐτοῦ τοῦ βο<η>|θοῦ το[ῦ] π̣ροcτρατηγήcαντοc παρέκθετα. In seinem Bericht läßt der Stratege offenbar auch erkennen, daß er den besagten βοηθόc beschuldigt, ihm bewußt Dinge zu verheimlichen. Allerdings ist die Passage leider zu lückenhaft, als daß sich hier Klarheit gewinnen ließe.

4 P.Panop.Beatty 1, 97-99 : πυνθανομ̣[ένου δέ μου αὐτοῦ περὶ] τῆc τῶν βιβλίων | cυcτάcεωc, προεβάλετο μήτε βιβλία ἔχειν μήτε ε̣ἰ̣[ληφέναι μηδεπώποτε] π̣α<ρὰ> τοῦ πρὸ αὐτοῦ | ὑπηρε[τ]ήcαντοc τὴν cτρατηγίαν.

5 P.Panop.Beatty 1, 99-106 : ἐπεὶ τοίνυν οὐχ οἷόν [τε ἐcτὶν τὸν λόγον τὸν μ]η̣νιαῖον ἀποcτα|λῆναι̣ [χ]ωρὶc μεταδόcεωc βιβλίων, ἀναγκαίωc αὐτοῦ το̣[ύτου τοῦ βοηθοῦ] τοῦ προcτρατηγή|cαντο̣c̣ [ἐ]πὶ ὑπομνημάτων ἐπυθόμην ὃc δὲ τὰ αὐ̣τὰ [ἀντεπέcτειλέ μοι. τ|έ̣ωc οὖ̣ν ἀννωνικὸν | τὸν μη[δὲ] καλῶc cυcταθέντα παρ’ αὐτοῦ λαβὼν καὶ ἀρ̣γυ̣ρ̣ικ̣[ὸν ± 16 ] . . ̀.с. ́́´ τὰ τούτω̣ν βιβλία | μετὰ κ̣α̣ὶ τοῦ <ἀπὸ> λογιcμοῦ ἀπέcτειλα πρὸc τὴν cὴν τοῦ ἐμοῦ κ[υρίου ἐπιμέλειαν. ἡ] γὰρ [δ] ọθ̣[ε]ῖcα ἐν θη|cαυροῖc̣ ὑ̣π’ αὐτοῦ λοιπογραφία ἀcύcτατoc εὑρήθη καὶ ἀcύ̣μφ̣[ωνoc. καὶ μέχρι] τούτου δι[ὰ τ]ὴν αὐτοῦ | ἀμέλειαν ἤτοι καταφρόνηcιν ὑπερεθέμην cιτικὸν ἀπο[cτεῖλαι …… καὶ τῶ]ν γενομένων παρὰ̣ | τῇ ἐμῇ μετριότητι̣ ὑπομνη<μά>των ἀντίγραφον ἐντάζαc γρά[φω ἵν’ εἰδέναι ἔχοιc, κύ]ρ̣ι̣[έ] μ̣ο̣υ̣.

6 P.Panop.Beatty 2, 61-63 : ὁποία ἡ τάξιc ἐπεcημ̣ήνατο περὶ τοῦ μηδέπω μηδὲ ἄχρι νῦν | τoὺc μηνιαίoυc λόγoυc τοῦ Τῦβι μηνὸc ἀπεcτάλθαι ὑπὸ cοῦ εἰc τὴν τάζιν μαθὼν ἐκ [τῶν ὑποτε]τ̣α̣γ̣μένων τὸ μὲν ὁριcθὲν ἐπιτίμιον αὐτόc <τε> καταβαλεῖν ἀπαιτ̣[ῆ]cαι δὲ καὶ τὸν τῆc ὑπὸ cὲ τάζεωc | βοηθόν, καὶ ἀνέ̣ν̣ε̣γκε τοῖc λογιcμοῖc τοῦ ἱερωτάτου ταμείου φρόντcον, τούc τε λόγoυc εὐθέω̣[c ἀπόcτειλον ἵνα τὰ πά]ντα δημόcια βιβλία μὴ ἐνεδρεύοιτο ἐπὶ πλέον διὰ τὴν cὴν ῥαθυμίαν.

7 P.Panop.Beatty 2, 64-67 : ἀ(ντίγραφον) ἀναφορᾶc ταβουλαρίου. τῆc πρoθεcμίαc τῶν μη[νιαίων λόγων τ]ῶν ἀ̣π̣ocτελλoμένων̣ εἰc τὴν τάζιν τῆc ἐπιτροπῆc ἐπὶ πολὺ ἐζη̣κoύcηc, τῶν μὲν ἄλλων cτρατη|γῶν ἐμπρoθέcμ̣ωc ἀποcτειλάντων, Ἀπολιναρίου δὲ τοῦ τοῦ̣ Πανοπολίτου καὶ Δημητρίου̣ [τοῦ τοῦ …. ίτο]υ̣ ἄχ̣ρ̣ι δεῦρο τοὺc μηνιαίoυc λόγoυc τοῦ Τῦβι μηνὸc μὴ ἀποcτειλάντων, ἀνάγκην ἔcχον ὑπομνῆ|cαι τὴν cὴν ἐπιμέλειαν τοῦ ἐμοῦ κυρίου περὶ τούτων ἐπειδήπερ καὶ πολλάκιc πρocέταξε̣[ν ἡ cὴ ἐπιμέλει]α τὰ βιβλία διὰ ταχέων ἀπocτέλλεcθαι πρὸc τὸ μὴ ἐνεδρεύεcθαι τὰ κα<τὰ> μῆνα ἀποcτελλόμενα ὑφ’ ἡ|μῶν τῇ καθολ̣ικῇ τάζει βρέουια· καὶ ἀζιῶ τὸ ὁριcθὲν ἐπὶ τούτῳ πρόcτιμον ὑπὸ τῆc cῆc ἐ̣[πιμελείαc κελεῦ|cαί cε τoύτoυc εἰcενεγκεῖν ἅμα τoῖc τούτων βοηθοῖc, ἢ ὡc ἐ̣[ά]ν̣ cοι δόξῃ, κύριέ μου.

8 Oertel (1917) 410-423, insbesondere 419 ; siehe auch Kruse (2002) II 771-811.

9 Siehe zu diesem Text auch Kruse (2002) II 802-804. Zur Tätigkeit des administrativen Hilfspersonals als eines lebenslang oder zumindest über einen langen Zeitraum hinweg ausgeübten Berufes, siehe auch Oertel (1917) 419.

10 Siehe Youtie (1966) sowie P.Petaus p. 121 und P.Petaus 121 Einl.

11 P.Panop.Beatty 1, 98-99.

12 PSI XIII 1361, 3-5. Die editio princeps hat in Z. 3 [. . . . .]λ .[. . . . . ] βοηθ[ . . ] τοῦ πρὸ̣ [сο]ῦ̣ сτρατη[γοῦ], die Ergänzung τὸν] βοηθ[ὸν] τοῦ κτλ. scheint mir indes unausweichlich zu sein ; siehe auch Kruse (2010).

13 Zur Geldbuße, siehe oben zu P.Panop.Beatty 2, 61-67.

14 Die unsichere Datierung ergibt sich aus der Tatsache, daß zwei Präfekten mit Namen Flavius Titianus bezeugt sind ; siehe Bastianini (1988) 508 und 510 ; BL IX 248 ; Str.R.Scr.2 60.

15 Vielleicht ist damit gemeint, daß ebenso verfahren werden solle wie mit den Akten der διακριταὶ ἐκθέcεων ; zu diesen Funktionären vgl. etwa SB XVI 12696 (140 n.Chr.) ; siehe auch Kruse (2002) II 703-705.

16 Zu den βιβλιοφύλακεc τῶν δημοcίων λόγων, siehe P.Fam.Tebt. 15 (114/115 n.Chr.) und 24 (124 n.Chr.) ; zu den Hintergründen des Rechtsstreits, siehe P.Fam.Tebt., p. 97-108 ; Wollentin (1961) 79-97 ; Kruse (2002) II 784-786. Zu den mehreren βιβλιοφύλακεc, siehe Wollentin (1961) 80-81.

17 Zum Kleinen Diopolites : BGU III 981, i (77 n.Chr.) ; siehe auch Kruse (2002) II 782-792. Ptolemais Euergetis : P.Mich. XI 603 (134 n.Chr.).

18 P.Fam.Tebt. 24, 102-105 : Ἀπολλώνιοc γενάμενοc cτρατηγὸc Θεμείcτου μερίδοc | ὁ κρι̣τήc · ἐκ τῶν λεχθέντων καὶ ἀναγνωcθέντων ἐπ’ ἐμοῦ δοκεῖ μοι ὅcα παρελαβεν ὁ γραμ<μ>ατεύcαc τοῖc βιβλιοφύλαξι | Λεωνίδηc χωρὶc τῶν βιβλιοφυλάκων, ἀναμάξεcθαι τοὺc τούτου κληρονόμουc κινδύνῳ τῶν κληρονόμων τῶν | πιcτευcάντων αὐτῷ βιβλιοφυλάκων, ὡc [α] καὶ τοῖc πρότερον ἀκηκοάcι τοῦ̣ πράγματοc ἔδοξε.

19 Siehe Kruse (2002) II 792-797.

20 Siehe Strassi (1997).