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Der 10. Ptolemäer und das Land Punt

Geschichtsverfälschung oder damnatio memoriae im Horustempel von Edfu?

Erhard GRZYBEK

Genf

Ein Bruderzwist im Königshaus der Ptolemäer hat Zeitgenossen und Nachwelt nachhaltend beschäftigt. Gemeint ist der Machtkampf, den sich Ptolemaios IX. Soter II. und Ptolemaios X. Alexandros I. unerbittlich und fast dauerhaft zwischen 116 und 88 v. Chr. lieferten und an dem in den ersten Jahren beider Mutter, Kleopatra III., entscheidenden Anteil hatte, ja zu ihren Gunsten auszunutzen suchte1. Noch zweihundert Jahre später, als Pausanias seine Perihegese Griechenlands verfasste und in deren erstem Buch auf die damals in Athen befindlichen Statuen und Bilder mehrerer Mitglieder der früheren ptolemäischen Königsfamilie zu sprechen kam, widmete er diesem Streit einen gar nicht in den Zusammenhang passenden längeren Exkurs, der aber zeigt, inwiefern sich die Antike schon für diesen Kampf um den Thron interessierte2. Erst die Flucht des jüngeren der beiden Brüder aus Ägypten und sein Tod im Jahre 88 v. Ch. oder kurz danach beendete die Streitigkeiten und brachte der Familie, nun unter der Herrschaft des älteren, bis 80 v. Chr. eine gewisse Ruhe, auch wenn erst einmal schwere Aufstände im Süden des Landes niederzuschlagen waren.

Über das Ende des 10. Ptolemäers berichtet die Grosse Bauinschrift des Horustempels von Edfu, eingraviert in die westliche Aussenwand der Umfassungsmauer, in einer wortkargen, aber hochinteressanten Notiz, die hier in ihrem vollen Wortlaut – und zwar in ihrem hieroglyphischen Originaltext und in deren moderner Transkription – wiedergegeben werden soll. Nachdem die Inschrift den 10. Ptolemäer explizit als Ptolemaios Alexandros nennt und von ihm sagt, dass dieser sein Name als König von Ober- und Unterägypten auf die Tempelmauern eingemeisselt worden sei, fährt sie fort:

w῾r.f r Pwnt sn.f wr šsp.f B3ḳtwḥm.n.fḫ῾w m nsw3

„Er floh nach (oder: in Richtung4) Punt, und sein älterer Bruder bemächtigte sich Ägyptens und erschien erneut als König.“

Der moderne Historiker ist natürlich äusserst überrascht, von einer Flucht Ptolemaios’ X. nach Punt zu hören, einem Land, von dem vornehmlich in Texten des 3. und 2. Jahrtausends wiederholt die Rede ist5, das von Ägypten weit entfernt gelegen haben muss, von dem Gewürze, Myrrhe und andere exotische Erzeugnisse eingeführt worden sind, dessen Lokalisierung aber von einer Region der Arabischen Halbinsel bis hin nach Afrika zur Somaliküste reicht6. Die Notiz der Bauinschrift von Edfu ist umso erstaunlicher, als sie in direktem Widerspruch zu einem anderen antiken Zeugnis steht, wo die Ereignisse des Jahres 88 v. Chr. näher aufgeführt sind. In der armenischen Übersetzung der Chronik des Eusebios von Caesarea, der als Quelle ein Werk des Porphyrios von Tyros benutzt hat, heisst es, wortwörtlich ins Deutsche übertragen: „im 19. (scil.: Jahr des Ptolemaios’ X.) entstand eine meuterei des militärs, und er scharte gegen dieselben ein heer nach Egiptos. jene aber verjagten ihn unter der heerführung des Tyrros, welcher war ein verwandter der Könige. eine seeschlacht lieferten sie ihm und trieben ihn, den nur das nackte leben rettenden, in die flucht mit weib und tochter, bis er geriet in eine stadt der Lykier, nach Myra, von wo er nach Kypros sich wendend das weite suchte. und ein kampf schlug ihm entgegen vom flottenführer Cheros; er starb“7.

Danach kam es also gegen Ptolemaios X., der von 107 bis 88 v. Chr., zuerst mit seiner Mutter Kleopatra III., dann nach deren Beseitigung allein die Herrschaft über Ägypten innehatte, im Jahre 88 v. Chr. zu einem Aufstand. Es gelang seinen Gegnern, ihn nach einer ersten Seeschlacht in die Flucht zu treiben. Er geriet nach Myra, einer Stadt in Lykien, von wo aus er versuchte, die Insel Kypros zu erreichen. Dann musste er sich einer zweiten Seeschlacht stellen, bei der oder nach der er schliesslich den Tod fand.

Aus dem weiteren Text des Porphyrios geht hervor, dass gleich nach der Flucht des 10. Ptolemäers die Alexandriner dessen älteren Bruder Ptolemaios IX. Soter II. aus Kypros zurückgerufen und ihm den ägyptischen Thron erneut angeboten haben8, den er dann bis zu seinem Ableben im Jahre 80 v. Chr. hielt.

Was die Wichtigkeit des zitierten Zeugnisses des Porphyrios ausmacht, ist die Nachricht, dass Ptolemaios X. Alexandros I. in eine Stadt Lykiens verschlagen wurde, entweder durch die Umstände gezwungen oder aus freien Stücken, was für die folgende Argumentation eigentlich unerheblich ist. Wichtig bleibt, dass er nach Lykien kam. Es geht nun darum, diese Information in den historischen Kontext des Jahres 88 v. Chr. zu setzen.

Wie man weiss, hatten nach Einrichtung der Provinz Asia kurz nach 133 v. Chr. die Völker des östlichen Mittelmeerraumes, vor allem die Griechen, unter der als drückend empfundenen Vorherrschaft der Römer zu leiden, vor allem unter der ihnen auferlegten Steuerlast. So nimmt es keineswegs wunder, dass sich 88 v. Chr. viele von ihnen Mithridates VI. Eupator, dem König von Pontos, anschlossen. Dieser hatte in jenem Jahre fast ganz Kleinasien überrannt, nach der Besetzung Bithyniens die Regionen Phrygien, Mysien, die römische Provinz Asia, Lykien, Pamphylien, dessen Nachbargebiete bis ans ehemalige Ionien und belagerte schliesslich selbst an der Spitze seiner Truppen lykische Städte, die sich ihm nicht auf der Stelle hatten ergeben wollen. In der Zwischenzeit war es seinen Admirälen sogar gelungen, Inseln wie Delos und Kos einzunehmen und die Belagerung von Rhodos zu beginnen. Mit Ausnahme der letztgenannten Inselrepublik waren viele griechische Städte und Völkerschaften dem pontischen König freiwillig, ja mit Begeisterung gefolgt und hatten seinen Truppen die Tore ihrer Ortschaften geöffnet, so verhasst waren ihnen nämlich die Römer9. Selbst Athen schwenkte um10, und unter Führung des sich eigens zum Tyrannen erhobenen Aristion11 stellte es sich an die Seite Mithridates’ VI. Man kann getrost sagen, dass 88 v. Chr. die östliche Mittelmeerwelt gespalten war, der grösste Teil promithridatisch, sicher weil man den pontischen König kurz vor einem endgültigen Sieg wähnte, weit weniger blieben den Römern treu, und noch weniger versuchten, eine neutrale Haltung einzunehmen und den Ausgang des Waffenganges zwischen Rom und Pontos abzuwarten. Zu den letzteren gehörte höchstwahrscheinlich Ptolemaios IX. Soter II. Ganz sicher ist nämlich, dass der aus Kypros nach Alexandreia zurückgeholte ägyptische König noch im Winter 87 / 86 v. Chr. zögerte, als ihn Lucullus im Auftrag Sullas um Beitragsleistungen für die Römer ersuchte12. Welches vorher seine Haltung Rom gegenüber war, bleibt unbekannt.

Völlig ungewiss dagegen ist in der Auseinandersetzung zwischen Rom und Mithridates VI. die Position des jüngeren Ptolemäers, des Ptolemaios X. Alexandros I., im Jahre 88 v. Chr. Es ist anzunehmen, dass er in diesem Kampf, sich auf die Seite des einen oder des anderen schlagend, seine Stellung zu sichern versucht hat. Es ist sogar gut möglich, dass er sich bemüht hat, das pontische Territorium oder wenigstens die pontischen Besitzungen zu erreichen; denn Mithridates VI. war bei der Besetzung der Insel Kos 88 v. Chr. alles in die Hände gefallen, was Kleopatra III. um 102 v. Chr. dem dortigen hochberühmten Asklepiosheiligtum anvertraut hatte: Teile des königlichen Schatzes, letztwillige Verfügungen, wie auch ihre Enkelkinder, also Kinder Ptolemaios’ X13. Mit ihnen hatte der pontische Monarch in seiner Hand ein Faustpfand, mit dem er den ägyptischen Thronprätendenten ständig erpressen konnte. Es ist folglich nur allzu erklärlich, dass dieser im Laufe des Jahres 88 v. Chr. versucht haben könnte, ins pontische Reich zu gelangen. Dies bleibt eine Hypothese, die möglich ist, für die aber der letzte Beweis nicht zu führen ist. Was dagegen auf Grund des oben angeführten Zitats des Porphyrios mit Sicherheit gesagt werden kann, ist, dass Ptolemaios X. damals bis nach Lykien kam, wo zur selben Zeit die pontischen Truppen – und höchstwahrscheinlich der pontische König selbst – standen14. Diese historische Situation erlaubt es anzunehmen, dass der 10. Ptolemäer absichtlich nach Lykien floh, um mit Mithridates VI. in Kontakt zu treten und sich wohl unter seinen Schutz zu stellen oder dass dieses Unterfangen dem ägyptischen Prätendenten später von seinen Gegnern so ausgelegt worden ist.

Damit ergibt sich für die historische Notiz, die im Horustempel von Edfu von der Flucht Ptolemaios’ X. aus Ägypten erzählt, eine mögliche neue Übersetzung: „Er floh in Richtung Pontos, und sein älterer Bruder bemächtigte sich Ägyptens und erschien erneut als König“. Vom rein philologischen Standpunkt her ist gegen die Wiedergabe des Wortes Pwnt für Pontos in altägyptischer Sprache und Schrift nichts einzuwenden15. Damit gewinnt der Satz aber auch einen historischen Sinn. Begnügte man sich hier mit der Nennung des Landesnamens Punt, so stünde man einer Geschichtsverfälschung gegenüber, die schon den Menschen der Ptolemäerzeit eigentlich unverständlich gewesen wäre. Erst mit der Wiedergabe des geographischen Begriffes durch Pontos erhält doch die Aussage, wie schon ausgeführt, ihre historische Dimension, die von den Verfassern der Inschrift sicherlich beabsichtigt worden ist. Übrigens ist sie nicht die einzige Notiz historischen Charakters, die die Inschrift enthält. Darüber besteht kein Zweifel.16

Nun ist die Grosse Bauinschrift von Edfu gewiss unter dem 10. Ptolemäer verfasst worden, weil sie diesen mehrfach lobend erwähnt. Da sie aber am Ende von seiner Flucht aus Ägypten und der erneuten Thronbesteigung des älteren Bruders berichtet, muss es sich hierbei um einen späteren Zusatz handeln, der nach 88 v. Chr. hinzugefügt worden ist17. Die Priesterschaft, in der die Verfasser der Inschrift wie des Zusatzes zu sehen sind, befolgten damit einen bestimmten Zweck: Lob und Anerkennung, solange der Herrscher auf dem Thron sass, und – wie so oft, wenn dieser verjagt war – Kritik und Tadel, um dem neuen Machthaber zu gefallen. So ist der Zusatz unmissverständlich als eine damnatio memoriae Ptolemaios’ X. Alexandros’ I. von seiten seines Bruders und dessen Anhängern aufzufassen, eine damnatio memoriae, die übrigens auch in einem anderen Punkt literarisch ausdrücklich belegt ist. Porphyrios weiss zu berichten, dass die mittleren 18 Regierungsjahre des 10. Ptolemäers, die zwischen denen des älteren Bruders lagen, später ausgemerzt worden seien und diesem die gesamte Zeit seit dem Tode des Vaters – also 11680 v. Chr., alles in allem 36 Jahre – als Herrschaft über Ägypten zugeschrieben worden sei18.

Der Zusatz der Bauinschrift von Edfu über die Flucht des 10. Ptolemäers in Richtung Pontos war somit Teil einer damnatio, die darauf abzielte, diesen Herrscher ins schlechte Licht zu rücken, ihn nämlich in Zusammenhang mit dem Römerfeind Mithridates VI. zu bringen. Ob zu Recht oder zu Unrecht, mag vorerst – d. h. bis zum Auftauchen endgültiger Beweise – dahingestellt bleiben.

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1 Zu den Ereignissen s. im einzelnen Volkmann 1959, 1738-1747; Samuel 1962, 147 ff. u. 1965, 376 ff.; Pestman 1967, 65 ff.; Will II 19822, 440ff.; Van’t Dack 1989, 136 ff.; Hölbl 1994, 183 ff. Was auch immer seit Erscheinen des Artikels Volkmanns geschrieben worden ist, so folge ich der darin durchgeführten Nummerierung der Ptolemäer. Im Hinblick auf die Sekundarliteratur sei ausdrücklich vermerkt, dass ich in der vorliegenden Studie vor allem auf die neuere hinweise, aber auch diese aus Platzmangel nur in Auswahl.

2 Paus.1.9.6.

3 Chassinat VII 1932, 9, Z. 8; De Wit 1961, 294.

4 Die Präposition r bedeutet nach, aber auch in Richtung von, ohne dass damit das Fahrt- oder Fluchtziel notwendigerweise als erreicht bezeichnet werden soll.

5 Gauthier II 1925, 45 f., wo für diesen geographischen Begriff die altägyptischen Schreibweisen aufgelistet sind.

6 Zu Punt und den Problemen, vor die dieses Land die moderne Forschung stellt, s. zuletzt Meeks 2002, 267-335 (mit wichtigen Bibliographiehinweisen).

7 FGrH II B, Nr. 260, Frg. 2, 8. S. diesen Text in griechischer Fassung bei Eus. Chron. I Schoene 18752, 164-166.

8 FGrH II B, Nr. 260, Frg. 2, 9: „und nach dessen flüchtigwerden hatten an den älteren bruder Ptlomeos SOTER boten gesandt die Alexandriner, gaben wiederum diesem das königtum, dem von Kypros zurücksegelnden“. Den griechischen Text s. bei Eus. Chron I Schoene 18752, 166.

9 Zu den oben nur in groben Umrissen beschriebenen Ereignissen des 1. Mithridatischen Krieges und ihrer Chronologie s. besonders App. Mith .20-27 und die darauf näher eingehenden Artikel von Baslez 1982, 51-66 u. Marek 1988, 285-308.

10 Str.9.1.20 (398); Plu.Sull. 12; App.Mith.28; Paus.1.20.5; Ath.5.211d-215b. Dazu s. Badian 1976, 501-521; Habicht 1976, 127-142; idem 1994, 297 ff.

11 Die Frage, ob es sich bei dem von Athenaios genannten Athenion und dem bei Strabon, Plutarch, Appian und Pausanias (s. vorige Anm.) erwähnten Aristion um ein und dieselbe Persönlichkeit handelt, sei hier positiv beantwortet, da es als sehr wahrscheinlich gelten darf, dass der als Sohn einer Sklavin (θεράπαινα, Ath.5.211e) geborene bei Eintragung in die Athener Bürgerliste den ersten Namen gegen den viel vornehmer klingenden zweiten eingewechselt hat.

12 Plu. Luc. 2.2-3.1.

13 J.AJ13.349: τὰ δὲ πολλὰ τοῦ πλούτου αὐτῆς (scil.: Kleopatras III.) καὶ τοὺς υἱωνοὺς καὶ διαθήκας πέμψασα Κῴοις παρέθετο. S. ebenfalls J. AJ 14.112 (hier ist – im Gegensatz zum ersten Zitat, wo Nikolaos von Damaskos und Strabon genannt werden (§ 347) – ausdrücklich der letztere die Quelle des Josephus); App. Mith. 23.115 u. 117. Unter den Enkelkindern, die Kleopatra III. nach Kos hat bringen lassen, sind mit grösster Wahrscheinlichkeit allein die Kinder ihres jüngeren Sohnes zu sehen und nicht die des verhassten älteren, wie aus POxy. XIX 2222, Z. 10 wohl richtig anzunehmen ist. Aus App. Mith. 23 geht hervor, dass die Besetzung der Insel Kos durch die pontischen Streitkräfte gleich in den Anfang des 1. Mithridatischen Krieges zu datieren ist, also ins Jahr 88 v. Chr. Zu den Beziehungen der Ptolemäer zu Kos s. Sherwin-White 1978, 137 f., zur Haltung der Einwohner von Kos gegenüber Mithridates s. Buraselis 2000, 15-17 u. 151-153.

14 Die Flucht Ptolemaios’ X. aus Ägypten fiel vielleicht schon ins Frühjahr oder in den Sommer 88 v. Chr., da PCair. 30 614 vom 21. Mai jenes Jahres den älteren Bruder bereits als König anzuerkennen scheint. Nach dem 4. Oktober 88 wird allein nach dem letzteren datiert. S. dazu Pestman 1967, 74-76. App. Mith. 20-21 u. 27 setzt die Einnahme Lykiens durch die pontischen Generäle in eben dieses Jahr 88 und berichtet von dem dortigen Aufenthalt Mithridates’ VI. S. darüber Baslez 1982, 51 u. 57.

15 Es ist nicht verwunderlich, dass die griechische Endung -ος des Namens Πόντος nicht in hieroglyphischer Schreibung erscheint; sie wurde einfach fortgelassen. Was zählte, war der Wortstamm. Trotzdem hatten die alten Ägypter, wie bekannt, mit den Endungen fremdländischer Eigennamen manchmal ihre liebe Mühe, so auch im Demotischen. S. z. B. die Wiedergabe des Namens Caesars und dazu meine Bemerkungen (1978, 152 Anm. 14).

16 Genannt sei nur die Angabe über den genauen Todestag Ptolemaios’ VIII. Euergetes’ II., des Vaters der beiden zerstrittenen Ptolemäer: Chassinat V 1930 Avant-propos IX-X Anm. 6; idem, VII 1932, 9 Z. 3-4. Dazu s. Otto / Bengtson 1939, 113 ff.; ebenso die präzisen Daten über die Fertigstellung der verschiedenen Bauabschnitte des Tempels: darüber Cauville / Devauchelle 1984, 31-55 u. Egberts 1987, 55-61.

17 So bereits ganz richtig Chassinat VII 1932, Avant-propos VII und seitdem unwidersprochen.

18 FGrH II B, Nr. 260, Frg. 2, 9: „da noch weiter vergingen 7 jahre wozu auch 6 monate – denn solange lebte er nach der abermaligen rückkehr – kommt die gesamte zeit seit des vaters der beiden tode diesem zu bei voll- und ungeteiltbelassung der ganzen zahl von 35 jahren nebst 6 monate; geteilt richtig <auf> Soter Ptlomeos zu verschiedenen zeiten 17 und 6 monate; und auf den zweiten, der auch Alexandros, die mittleren zwischen den regierungen des älteren belegenen 18 jahre, welche – bei ihrem unvermögen dieselben aus der buchurkunde zu zerstören; soviel nämlich bei ihnen gelegen war, merzten sie daran aus; denn er war ihnen widerwärtig geworden durch gewisse jüdische hilfeleistungen – sie doch als solche nicht rechnen, jene zeitperiode, sondern die sämtlichen 36 jahre dem älteren bruder zurechnen“. Der griechische Text bei Eus. Chron. I Schoene 18752, 166. Dazu s. Otto / Bengtson 1938, 183 f., die eine Deutung geben, der mit Recht Volkmann 1959, 1743 u. 1746 gefolgt ist. Im Porphyrioszitat ist die Beweisführung als interessant zu vermerken: Einmal mehr müssen Hilfleistungen, die dem jüdischen Volk dargebracht worden sind, dafür herhalten, den Hass auf einen Herrscher zu erklären, einen Hass, der natürlich ganz andere Gründe hatte, vor allem den Drang nach Macht Ptolemaios’ IX. Soters II. und seiner Anhängerschaft.