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Mythos mit geheimem Sinn oder reine Blasphemie?

Julian über die mosaische Erzählung vom Sündenfall (Contra Galilaeos fr. 17,10-12 Masaracchia)

Christoph RIEDWEG

Zürich

Pour André

χάρμα καὶ ἥβην

In den Augen Kaiser Julians (361-363 n. Chr.), des Stiefneffen Konstantins, der, kaum herangewachsen, in der Begegnung mit dem neuplatonischen Theurgen Maximos endgültig zum Polytheismus zurückgefunden haben soll1, vermag der biblische Schöpfungsbericht einem Vergleich mit Platons Dialog „Timaios“, dem Grundtext des kaiserzeitlichen Platonismus, in keiner Weise standzuhalten. Wesentliche Punkte wie z. B. die Entstehung des Abgrunds, der Finsternis, des Wassers oder auch der Engel würden im mosaischen Text einfach übergangen, und Gott sei gemäss Mose Schöpfer von nichts Unkörperlichem, sondern einzig „Ordner einer bereits vorliegenden Materie“ (ὕλης ὑποκειμένης κοσμήτορα)2.

Aus den erhaltenen Fragmenten zu schliessen, nahm in Julians Streitschrift „Gegen die Galiläer“ diese kontrastive Gegenüberstellung (ἀντιπαραβολή3) paganer und hebräischer Aussagen über das Göttliche einen grossen Teil des ersten Buches ein4. Besonders scharf ging der Kaiser dabei mit der Erzählung der Erschaffung von Mann und Frau und des anschliessenden Sündenfalls ins Gericht. Sie verstösst nach seiner Ansicht gegen zwei Axiome einer jeden philosophischen Theologie: die Allwissenheit des Göttlichen und seine Güte. Wenn die Frau von Gott eigentlich als „Helferin“5 für den Mann geschaffen wurde, wie konnte es dem Schöpfer verborgen bleiben, dass genau das Gegenteil eintreten und sie in Wirklichkeit die Vertreibung aus dem Paradies mitverursachen sollte6? Und: wie kann Gott, wenn er spätestens seit Platons τύποι περὶ θεολογίας als wesenhaft gut gilt7, dem Menschen die Erkenntnis von gut und böse, welche doch unabdingbare Voraussetzung für ethisches Verhalten ist, und mit ihr letztlich auch den „Genuss des Verstandes“ untersagen, dessen „eigentümliche Leistung eben die Unterscheidung von gut und schlecht ist“8?

Mitten in Fragment 17, welches diese Gedanken weiterführt und Gott auch insofern der Missgunst zeiht, als er Adam aus dem Paradies vertrieb, „damit er nicht etwa vom Holz des Lebens nehme und esse und in Ewigkeit leben werde“9, drückt Julian seine Empörung über die verwerfliche Gottesdarstellung der Genesis in einem Satz aus, dessen Verständnis unangenehme Schwierigkeiten bereitet:

Τούτων τοίνυν ἕκαστον εἰ μὴ μῦθος εἴη ἔχων ἀπόρρητον θεωρίαν, ὅπερ ἐγὼ νενόμικα, πολλῆς γέμουσιν οἱ λόγοι περὶ τοῦ θεοῦ βλασϕημίας (Julian Gal. fr. 17,10-12 Masaracchia).

Falls also jede einzelne dieser [Erzähleinheiten] nicht etwa ein Mythos mit geheimem allegorischem Sinn sein sollte – wovon ich überzeugt bin –, strotzen die Worte von gewaltiger Blasphemie über den Gott.

Der Bezugspunkt des Relativpronomens ὅπερ in ὅπερ ἐγὼ νενόμίκα ist nicht nur auf den ersten Blick rätselhaft10. Wovon genau erklärt sich Julian an dieser Stelle überzeugt? Dass der mosaische Bericht in all seinen Einzelheiten kein Mythos mit tieferem Sinn ist (Lösung 1; in diesem Fall würde sich der Relativsatz auf den konditionalen Nebensatz als ganzen beziehen)? Oder vielmehr, dass es sich dabei tatsächlich um einen Mythos mit tieferem Sinn handelt (Lösung 2; dann würde der Relativsatz den Nebensatzinhalt ohne die Negation aufnehmen)? Oder äussert Julian vielleicht gar einfach seine feste Meinung, dass die Genesisstelle ein Mythos ist (Lösung 3; Bezugspunkt wäre dann lediglich der Kern des Prädikats, ohne dessen genauere Bestimmung mit εχωἔν ἀπόρρητον θεωρίαν)? Oder ist der Relativsatz am Ende überhaupt nicht auf den Nebensatz zu beziehen, sondern weist auf den Hauptsatz voraus – „dann strotzen diese Auffassungen, davon bin ich überzeugt, von gewaltiger Gotteslästerung“ (Lösung 4)?

Es liegt auf der Hand, dass es sich bei diesem Interpretationsproblem um mehr als grammatikalische Quisquilien handelt. Zur Debatte steht Julians Haltung zum Mythos und seiner allegorischen Interpretation allgemein und ganz besonders auch im Hinblick auf den mosaischen Schöpfungsbericht. Zumindest die grundsätzliche Frage, ob letzterer für ihn einen Mythos darstellt oder auch einen gewissen, historischen’ Wert, eine faktische Richtigkeit besitzt, lässt sich leicht beantworten: Schon im Prooimion hatte Julian dem Christentum vorgeworfen, ein übles menschliches Machwerk zu sein, welches den „märchenfreudigen (ϕιλόμυθον), kindischen und unvernünftigen Teil“ der Seele für seine Zwecke missbrauche11. Und seit Beginn der detaillierten Auseinandersetzung mit der Genesis kehrt der Vorwurf des μυθῶδες regelmässig wieder – ausser bei der Erschaffung von Mann und Frau und deren Vertreibung aus dem Paradies12 auch im Zusammenhang mit dem Turmbau von Babel, der ebenso mythisch sei wie Homers Aloaden, welche drei Berge aufeinanderzuhäufen beabsichtigten13; die Christen jedoch betrachteten ihr evidentes Märchen als „wahr“14.

Lösung 315 würde diese Überzeugung Julians nochmals unterstreichen. Doch sprechen die Wortstellung sowie v. a. auch inhaltliche Gründe gegen sie. Im Umkehrschluss würde sie nämlich besagen, dass die Erzählung, da es sich ja für Julian fraglos um einen Mythos handelt, nicht von grosser Blasphemie strotze – was der Argumentation in der Fortsetzung des Fragments zuwiderläuft:

Tὸ γὰρ ἀγνοῆσαι μὲν ὡς ἡ γινομένη, ’βοηθὸς’ αἰτία toῦ παρα – πτώματος16 ἔσται, καὶ τὸ ἀπαγορεῦσαι καλοῦ πονηροῦ τὴν17 γνῶσιν, ὅ μόνoν ἔοικε συνέχειν τὸν βίoν τὸν ἀνθρώπινoν, καὶ προσ έτι τὸ ζηλοτυπῆσαι μὴ τῆς ζωῆς μεταλαβὼν ἀθάνατος ἐκ θνητοῦ γένηται, ϕθονεροῦ καὶ βασκάνου λίαν ἐστίν (Gal. fr. 17,12-17 Masaracchia).

Denn nicht zu wissen, dass die als, Helferin’ geschaffene [Frau] die Ursache des Falls sein wird, und die Kenntnis von gut und böse zu untersagen, was allein das menschliche Leben zusammenzuhalten scheint, und ausserdem von Eifersucht geschlagen sein, dass [der Mensch] am Leben Anteil erlangen und unsterblich anstelle von sterblich werden könnte, ist in extremem Masse Zeichen eines neidischen und missgünstigen [Wesens].

Entlastung von diesem Vorwurf könnte höchstens ein allegorischer Hintersinn bieten. Ob Julian auch beim mosaischen Bericht mit dieser Möglichkeit rechnet oder nicht, das ist also die entscheidende Frage. Mit der vierten Deutung würde man ihr in eleganter Art ausweichen18. Eine solche Lösung, wie sie von Neumann vorgeschlagen wurde19, hat freilich nicht nur die Interpunktion der massgeblichen Handschriften gegen sich20. Relativsätze mit ὅπέρ knüpfen allgemein häufiger an eine vorhergehende Aussage an21, und wenn sie einmal vorausweisen, geht dies in der Regel aus dem Kontext deutlich hervor22.

Bleibt somit die Wahl zwischen Lösung 1 und Lösung 2. Betont sei, dass beide in sprachlicher Hinsicht gleichermassen möglich sind und daher der Kontext den Ausschlag geben muss23. Von wenigen Ausnahmen abgesehen24 hat sich die moderne Forschung zugunsten der zweiten Interpretation entschieden25. Diese wurde bereits vom spätantiken Kirchenhistoriker Sokrates vertreten26. Falls sie richtig ist, nimmt Julian mit dem kleinen Relativsatz ὅπερ ἐγὼ νενόμικα seiner Polemik einiges von ihrer Schärfe. Die biblische Erzählung würde gewissermassen immunisiert; Vorwürfe, wie sie Julian vorträgt, müssten an der Textoberfläche abprallen. Dies fügt sich indessen schlecht zur rhetorischen Strategie, welche Julian in unserem Abschnitt verfolgt: Mag er auch später seine eigene religiöse Verehrung für den (dem Demiurgen freilich untergeordneten partikulären, in seinem Wirken auf Judaea beschränkten) Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs bekennen27, an dieser Stelle geht es ihm unzweifelhaft darum, die von den Christen als ihre heilige Schrift (mit-) beanspruchten Anfangskapitel der Genesis im Kontrast zu Platons „Timaios“ blosszustellen und als theologisch wertlos, ja blasphemisch zu erweisen. Auch sonst wird bei Julian nirgends mit der Möglichkeit einer allegorischen Auslegung eines biblischen Textes gerechnet. Im Gegenteil, beim Turmbau von Babel bleibt er ebenfalls bei dem „so offenkundigen Mythos“ (οὕτω ϕανερὸν μῦθον) stehen28. Diese Episode enthält gemäss Julian nicht nur unüberwindliche sachliche Probleme, sondern entwirft vor allem auch ein hochproblematischen Gottesbild. Die Christen desavouieren sich in seinen Augen ganz von selbst, wenn sie eine solche Erzählung für (faktisch) „wahr“ erachten und als Folge davon Gott so unwürdige Handlungsmotive wie Angst vor den Menschen unterstellen29.

Zu prüfen ist abschliessend, wie sich die hier vorgeschlagene erste Deutung zu anderen Äusserungen Julians über Mythen verhält. Besonders aufschlussreich, wenn auch – da zwischen normativen Hinweisen für die Abfassung neuer Mythen und deskriptiver Analyse bestehender schwankend – z. T. etwas verwirrend, ist in diesem Zusammenhang die Rede gegen den Kyniker Herakleios30. Darin wird u. a. festgehalten, in welchen Bereichen der Philosophie die – von Julian allgemein eher tief eingeschätzten31 – Mythen ihren legitimen Platz haben: im Bereich der ethischen Ratschläge an Kinderseelen (auch im übertragenen Sinn)32 sowie in der Theologie als Teilbereich der, Physik’, wo Mythen als Schutzhülle für die Weitergabe theologischer Wahrheiten eingesetzt werden können33. Für letztere gilt, dass bereits die Wortoberfläche (λέξις), über welche „die Menge“ ja nicht hinausgelangen wird34, erhaben, besonnen, schön und den Göttern ganz und gar angemessen sein und nichts Schändliches, Blasphemisches oder Gottloses enthalten soll35. Dass nach Julian die Erschaffung der Menschen und ihre Vertreibung aus dem Paradies in der „Genesis“ den genannten Anforderungen nicht genügt, ist offenkundig, wobei dies an sich aber nicht anders auch für die in Contra Galilaeos fr. 4 Masaracchia aufgeführten orphischen Mythen gilt36. Bei letzteren wird Julian gewiss mit einer allegorischen Exegese gerechnet haben37.

Wie ist dieser Widerspruch zu lösen? Ist er überhaupt zu lösen, oder misst Julian vielleicht nach bewährter polemischer Art schlicht mit unterschiedlichen Ellen? Verlangt er in dieser Hinsicht von den jüdischchristlichen Texten mehr als von den alten paganen Mythen eines Orpheus und anderer vorplatonischer θεο-λόγοι38? Ausgeschlossen scheint mir dies nicht: Es wäre gut denkbar, dass er die hohe Wertschätzung der Christen für ihre heiligen, als Quelle jeglicher Wahrheit erachteten Schriften in dieser Hinsicht ernst nahm und an sie daher denselben, strengeren Massstab wie an neu erfundene philosophische Mythen anlegte. Einen weiteren Unterschied zu orphischen Mythen mag er auch darin gesehen haben, dass Geschichten wie diejenige des Sündenfalls nicht nur einem beschränkten Personenkreis unter dem Schutz geheimer Mysterienweihen weitergegeben wurden39, sondern in aller Hände gelangten und daher bei den einfacheren Menschen leicht Anlass zu irrigen Annahmen über das Göttliche geben konnten. Überdies mag Julian sich mit Kelsos und Porphyrios auch durch die „Absurdität“ (ἀτοπία) christlicher allegorischer Auslegungen40 in der Annahme bestärkt gefühlt haben, dass die altund neutestamentlichen Schriften nicht auf eine übertragene Deutung, eine ἀπόρρητος θεωρία, hin angelegt waren, sondern einfach schlecht gefertigte, unglaubwürdige Mythen seien.

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1 Cf. u. a. Eun.VS 7.2.12; Rosen (1997, 130) relativiert Maximos’ Bedeutung und hält es für wahrscheinlicher, dass Julian sich auch nach 351 / 352 noch längere Zeit im weiten Feld, welches um die Mitte des 4. Jh. „zwischen dogmatischem Christentum und überzeugtem Heidentum“ lag, hinund herbewegt haben dürfte.

2 Contra Galilaeos (im folgenden „Gal.“) fr. 6 Masaracchia. Cf. dagegen Julians eigene Religionsphilosophie in fr. 10; 18 etc.

3 Cf. Gal. fr. 6.7 Masaracchia; dazu Riedweg 1999, 62f.

4 Gal. fr. 4-46 Masaracchia. Es handelt sich um das zweite der in fr. 3, einer Art Inhaltsangabe für Buch 1, genannten Themen; die anderen drei scheinen nach dem Ausweis der erhaltenen Fragmente unterschiedlich ausführlich erörtert worden zu sein (1. „Wie kommt der Mensch zu einer ἔννοια θεοῦ? “: fr. 7 [cf. fr. 11]; 3. „Was hat die vom Heidentum abgefallenen Christen veranlasst, statt der eigenen Tradition die jüdische Überlieferung auszuwählen? “: fr. 47-57; 4. „Aus welchem Grund sind diese Christen nicht einmal der jüdischen Überlieferung treu geblieben, sondern haben sich, unter Übernahme der schlimmsten Ingredienzien aus beiden Traditionen, eine eigene Lehre angefertigt? “: fr. 58-89).

5 LXXGe.2.18.

6 Gal. fr. 13 Masaracchia.

7 Pl.R.379a-380c.

8 Gal. fr. 16 Masaracchia.

9 LXXGe.3.22.

10 In der deutschen Übersetzung ist der Bezug einstweilen bewusst offengelassen. Vgl. unten Anm. 29.

11 Gal. fr. 1 Masaracchia.

12 Gal. fr. 13.12 und 15.3f. Masaracchia.

13 Od. 11.313-316; dazu Riedweg 1994, 442-444.

14 Gal. fr. 23 Masaracchia.

15 Sie wurde m. W. bisher noch von niemandem vertreten.

16 παραπτώματoς V: πτώμaτoς FM (accl. Masaracchia).

17 τὴν V: om. FM Masaracchia.

18 Immerhin lässt aber der konditionale Nebensatz mit Optativ schon für sich genommen eine gewisse Distanzierung erkennen, die eher für Lösung 1 spricht, wird dieser Modus doch dann verwendet, „wenn die Bedingung als eine blosse Vorstellung, als etwas willkürlich Angenommenes […] erscheinen soll, das ebensogut wirklich wie nichtwirklich sein könnte“ (K.-G. 2, 477; der Hauptsatz steht dabei im Indikativ, „wenn der ungewissen und unentschiedenen Bedingung die Folge als bestimmte Behauptung […] entgegengesetzt wird“: K.-G. 2, 478).

19 Neumann (1880a, 169) setzt nach νενόμικα kein Komma, und ders. (1880b, 6f.) übersetzt: „Wenn alle diese Geschichten nicht etwa Mythen sind, deren Kern eine mysteriöse Speculation bildet, dann strotzen die Erzählungen von Gott wenigstens meinem Dafürhalten nach von Lästerung.“

20 Tούτων τοίνυν ἕκαστον εἰ μὴ μῦθος εἴη ἔχων ἀπόρpητoν θεωρίαν ὅπερ ἐγὼ νενόμικα, κτλ. FM: Tούτων τοίνυν ἕκαστον εἰ μὴ μῦθος ἔχων θεωρίαν, ἀπόρρητoν εἴη. ὅπερ ἐγὼ νενόμικα. πoλλῆς γέμoυσιν oἱ λόγoι. περὶ τοῦ θεοῦ βλασϕημίας transp. et perperam dist. V. – Zum Wert der in der Regel völlig vernachlässigten Interpunktion der Handschriften cf. allgemein Riedweg 2004.

21 Cf. z. B. Iul. Mis.21 (…) ὣσπερ ἐντυπώσας (sc. der Pädagoge dem Julian) ὅπερ ἐγὼ μὲν οὐκ ἐβoυλόμην τότε.

22 Z. B. Iul. Contr. Heracl.7.211b Εἰ δ’ ὅπερ ὁ θεὸς ἔϕη Διγένει, „ τὸ νόμισμα παραχαράξας“ ἐπὶ τὴν πρὸ ταύτης εἰρημένην ὑπὸ τοῦ θεoῦ συμβoυλὴν τpέπoιτo, τὸ „Γνῶθι σαυτόν“, ὅπερ ζηλώσαντες ἐπὶ τῶν ἔργων Διογένης καὶ Κράτης ϕαίνονται, τοῦτο ἤδη τοῦ παντὸς ἄξιον ἔγωγε ϕαίην ἂν ἀνδρὶ καὶ στρατηγεῖν καὶ ϕιλοσοϕεῖν ἐθέλοντι.

23 Cf. für die erste Lösung z. B. Plu.Def.or.46.435d εἴ γε δὴ τοῦτο μὴ μῦθός ἐστι μηδὲ πλάσμα κενόν, ὡς ἔγωγ’ἡγοῦμαι (sc. dass die vorausgehende Erzählung nicht reine Erfindung ist) oder Lib.Ep.788.2 εἰ οὖν μὴ ϕαῦλος ὁ ταμίας, ὅπερ εἰκάζω (sc. dass er kein schlechter ist), und für die zweite Iamb.Myst.7.4 Τί γὰρ βούλεται τὰ ἄσημα ὀνόματα πυνθάνῃ τὰ δὲ οὐκ ἔστιν ἄσημα, ὃ σὺ νενόμικας (sc. dass sie ἄσημα sind). In unserem Beispiel wird die Ambivalenz noch durch den Modus im Nebensatz verstärkt (cf. oben Anm. 18).

24 Cf. Smith (1995, 206) „Julian merely denies Christians the right to put such arguments: they appeal to allegorical interpretation, and that (it is implied) is the preserve of men of true paideia (94a); by definition, this quality is just what Julian’s Christians lack“; Hargis (1999, 101f.), bei dem freilich die das Zitat einleitenden, mehr von Porphyrios als von Julian inspirierten Bemerkungen im Widerspruch zu der danach vorgelegten, offenkundig Lösung 2 folgenden Übersetzung stehen: „[…] the anthropomorphic biblical presentation of God had led Christians to the practice of allegory, which was to Julian an illegitimate method of, Hellenizing’ the scriptures. Each biblical representation of the divine was, full of blasphemy against God, unless the phrase contains some occult and mysterious sense, which indeed I can suppose“1; ferner, wenn auch ohne Berücksichtigung von fr. 17, Borrelli (2000, 109) „le storie ebraiche sono troppo assurde per nascondere un significato allegorico, come sarà sostenuto dall’imperatore in maniera più esplicita nel Contra Galilaeos“ (unter Hinweis auf fr. 16 und 22 Masaracchia); „laddove il ricorso all’allegoria riceve corretta giustificazione per i miti greci – colmi di mostruosità solo in apparenza –, affinché il loro sens caché sia svelato“ (unter Hinweis auf fr. 4). – Aus der Übersetzung von Masaracchia (1990, 253) ist nicht mit letzter Sicherheit zu eruieren, wie sie den Passus interpretiert («nel caso che non sia, come è mia convizione, un mito dal significato nascosto» [vermutlich eher Lösung 1? ]). Zweideutig m. E. auch Gérard (1995, 34), dessen Übersetzung Lösung 2 folgt („à moins de considérer ces histoires comme des mythes qui ont chacun leur interprétation secrète – ce dont je suis convaincu“ etc.), während sein Kommentar eher auf Lösung 1 hindeutet (gemäss Gérard 92 macht Julian einen deutlichen Unterschied zwischen griechischen und jüdischen Mythen: die Juden, welche über keine Philosophie verfügten, „doivent se contenter du sens littéral de leurs fables, qui fait donc loi“).

25 Cf. Geffcken (1907, 306) „Freilich darf bei dieser Ähnlichkeit nicht vergessen werden, daß entgegen Porphyrios’ Meinung von der Unzulässigkeit der allegorischen Bibeldeutung […] Julian den jüdischen Mythen einen Geheimsinn halbwegs einräumt“; Wright 1923, 326f.; Labriolle (1950, 400) „[…] il n’est pas un de ces récits qui ne soit blasphématoire, à moins qu’ils ne cachent quelque allégorie, quelque θέώρια απορρητος ce que Julien s’avoue assez disposé à admettre“; Malley (1978, 28f.) „While Julian rejects Christianity as having nothing divine in it, he is much more prudent about the myths of the Old Testament. They certainly would for him be filled with many blasphemies against God unless each story would be a myth having a hidden interpretation. This respect for the ancient myths of the Jews probably has its source in the same evaluation of the worth of the Greek myth when it was allegorically exegeted“ etc.; Bouffartigue (1992, 161) „Et alors que, dans la polémique christiano-païenne, il est presque d’usage de refuser à l’adversaire le droit d’user de l’allégorie pour excuser ses mythes, Julien exprime la conviction que les mythes hébraïques contiennent un sens caché. Dans la culture de Julien, le Pentateuque est donc revêtu d’une valeur ambiguë: texte dangereux, irritant, il reste aussi un texte passionnant“; cf. 380f.; 385: „Julien, répond’ [sc. à Porphyre] ainsi: chacun de ces récits est un blasphème contre Dieu, à moins qu’il ne soit un mythe porteur d’une connaissance secrète [μῦθος ἔχων θεωρίαν ἀπόρρητον], ce que, pour ma part, je crois“; vorsichtiger Pépin (1976, 466-470), der aber aus fr. 23 Mas. glaubt schliessen zu können, dass Julian, der die „récits de la Bible“ für ebenso mythisch hielt wie die „légendes grecques“, zumindest indirekt zu verstehen gebe „que l’interprétation allégorique peut être pratiquée sur celles-ci comme sur ceux-là“ (469).

26 Sokr. Hist.eccl.3.23.30ff., cf. 36 (nach dem Zitat von Iul.Gal. fr. 17.10-12 Masaracchia und Or.7.216c) Φαίνεται δὴ διὰ τούτων ὁ βασιλεὺς ὑπόνοιαν ἔχειν περὶ τῶν θείων γραϕῶν, ὡς εἴησαν λόγοι μυστικοὶ ἀπόρρητόν τινα θεωρίαν ἔχοντες. Auch bei Oecolampad dürfte diese Deutung im Hintergrund stehen, wobei er allerdings die Syntax nicht ganz durchschaut und entsprechend auch den Gedankengang etwas entstellt wiedergegeben hat: „Singula haec, nisi fabula sint, continere arcanam speculationem equidem censerem, sed multa blasphemia in deum referta sunt.“

27 Gal. fr. 86 Masaracchia, von Bouffartigue (1992, 161) mit fr. 17 in Beziehung gesetzt.

28 Anders Pépin (1976, 469), der den Satz, mit welchem Julian sarkastisch auf ein inhaltliches ἀδύνατον verweist (fr. 23,25 ἐκεῖνο γὰρ οἶμαι δεῖν σιωπᾶν πρὸς ἄνδρας ἀμαθεῖς), kaum richtig als Anspielung auf eine allegorische Auslegung interpretiert (er übersetzt „Mon opinion est qu’il faut taire celui de Moïse en présence des gens simples: car, à supposer même etc.“ und kommentiert: „La phrase de Julien sur l’opportunité de les mettre hors de l’atteinte du public sans culture donne à entendre qu’elles sont récupérables pour des lecteurs avertis; mais comment ceux-ci pourraient-ils en faire leur profit, sinon en dépassant le sens littéral seul accessible à la multitude, pour arriver à un sens plus profond qui ne se livre qu’à l’interprétation allégorique? “; doch cf. z. B. die Übersetzung von Neumann 1880b, 16: „Denn darauf kann man sich so ungebildeten Leuten gegenüber, wie ihr es seid, nicht berufen, dass etc.“).

29 Gal. fr. 23.34-36 Masaracchia. – Die zu Beginn offen formulierte Übersetzung von fr. 17.10-12 wäre aufgrund dieser Überlegungen somit folgendermassen zu präzisieren: „Falls also jede einzelne dieser [Erzähleinheiten] – wovon ich überzeugt bin – nicht ein Mythos mit geheimem allegorischem Sinn sein sollte (…)“.

30 Cf. zu Julians „doctrine de mythe“ und ihrem Verhältnis zu Porphyrios und Jamblich Bouffartigue 1992, 337-345; ferner auch Malley 1978, 26-29.

31 Cf. Contr. Heracl. 2 etc.; interessant auch Symp.1 καὶ αὐτὸς οὐκ ἀτιμάζω τοὺς μύθους οὐδὲ παντάπασιν ἐξελαύνω τοὺς ὀρθῶς ἔχοντας (cf. Contr. Heracl. 1.205b).

32 Cf. Contr. Heracl.2.206c-d; 18.223a; 21,226c-d.

33 Cf. Contr. Heracl. 10ff.; auch Matr.deor. 10.

34 Cf. auch Matr.deor.10 τοῖς μὲν ἰδιώταις ἀρκούσης (…) τῆς ἀλόγου καὶ διὰ τῶν συμβόλων μόνων ὠϕελείας.

35 Contr. Heracl. 13.218c-d. In potenziertem Masse verlangt Julian, der allgemein unverkennbar an Platons Mythenkritik im „Staat“ 377a ff. anschliesst, dasselbe von den in Mythen gefassten ethischen Paränesen, die überdies „glaubwürdig“ sein und mit den realen Sachverhalten übereinstimmen sollen (Contr. Heracl.21.226d).

36 Zu bedenken ist, dass wir über den ursprünglichen Kontext dieses Fragments 4 überhaupt nichts wissen. Es wäre an sich durchaus möglich, dass Julian hier eine fremde Meinung z. (B. einen von christlicher Seite vielleicht als Frage formulierten Einwand) wiedergäbe.

37 Auf eine allegorische Auslegung weisen nach Julian textimmanente Signale wie Unstimmigkeiten, Paradoxes und Verwunderliches den kundigen Leser jeweils unmissverständlich hin; cf. Contr. Heracl.12-17; ferner Matr.deor.10. Dass eine solche Hermeneutik grundsätzlich auch auf AT und NT übertragbar wäre, versteht sich von selbst. Doch für Julian ist in diesen (allzu absurden) Geschichten die Basis dafür nicht gegeben.

38 Julians Bewunderung für Orpheus geht aus Contr. Heracl.10.215b und 12.217c (im Anschluss an Jamblich) deutlich hervor.

39 Cf. Contr. Heracl.11f.; auch Pl.R.378a.

40 Cf. Kelsos fr. 4.51 Bader αἱ γοῦν δοκοῦσαι περὶ αύτῶη ἀλληγορίαι γεγράϕθαι πολὺ τῶη μύθων αἰσχίους εἰσὶ καὶ ἀτοπώτεραι, τὰ μηδαμῆ μηδαμῶς ἁρμοσθῆναι δυνάμενα θαυμαστῇ τινι καὶ παντάπασιν ἀναισθήτῳ μωρίᾳ συνάπτουσαι; Porph.Chr. fr. 39.11-13 Harnack Τῆς δὴ μοχθηρίας τῶν Ἰουδαϊκῶν γραϕῶη οὐκ ἀπόστασιν, λύσιν δέ τινες εὑρεῖν προθυμηθέητες ἐπ’ ἐξηγήσει ἐτράποντο ἀσυγκλώστους καὶ ἀναρμόστους τοῖς γεγραμμένοις (Zeile 18 spricht Porphyrios von der ατοπία von Orígenes’ Allegoresen).